F/A-18-Absturz: Elf Meter fehlten bis zum Grat
07. April 2020: Am 29. August 2016 zerschellte eine F/A-18C der Schweizer Luftwaffe im Sustengebiet bei schlechtem Wetter. Der Pilot wurde beim Aufprall getötet. Im heute veröffentlichten Schlussbericht der Untersuchungsrichter wird eine falsche Höhenvorgabe durch den Flugverkehrsleiter als Hauptursache für den Unfall genannt.
Mit dem Auftrag, ein unbekanntes Flugzeug abzufangen, zu identifizieren und anschliessend zu bekämpfen, starteten am 29. August 2016 kurz vor 14 Uhr zwei F/A-18 Hornet der Schweizer Luftwaffe auf dem Militärflugplatz Meiringen. Die Sicht für den Start war gut, doch herrschte nass-trübes Wetter mit einer geschlossenen Wolkendecke ab rund 1500 Meter über Meer, womit die Gipfel rund um Meiringen in den Wolken lagen.
Gemäss dem Bericht der Militärjustiz wurde diesen Verhältnissen entsprechend ein Standard-Abflugverfahren gewählt, ein „Radar Trail Departure“. Dabei startet der Leader der Patrouille 15 Sekunden vor dem zweiten Flugzeug, der anschliessende Steigflug erfolgt im Instrumentenflugverfahren. Das hintere Flugzeug, der „Trailer“, schaltet dabei seinen Bordradar auf das Leader-Flugzeug auf und folgt mithilfe der Bordinstrumente der Flugroute des Leaders.
Der Versuch des später verunfallten Flugzeuges, des Trailers, seinen Radar auf den Leader aufzuschalten, misslang laut den militärischen Untersuchungsrichtern. Den Verfahren entsprechend nahm der Pilot darauf Kontakt mit der Flugverkehrsleitung von Meiringen auf und erhielt die Anweisung, auf 10’000 Fuss (3048 Meter über Meer) zu steigen und auf die Funkfrequenz der Flugsicherung in Dübendorf zu wechseln. Der Pilot führte beide Anweisungen aus. 58 Sekunden nach diesem letzten Funkkontakt zerschellte das Flugzeug auf einer Höhe von 3319 Metern über Meer unterhalb eines Grates an der Westflanke des Hinter Tierberges. Bis zum Grat fehlten nur elf Meter.
Flughöhe für andere Startrichtung erhalten
Für einen Start Richtung Osten (Susten) beträgt die Mindestflughöhe laut dem Bericht der Militärjustiz 15’000 Fuss. Die Mindesthöhe von 10’000 Fuss gilt für Starts in die entgegengesetzte Richtung (Brienzersee). Der Flugverkehrsleiter habe offenbar bemerkt, dass er dem Piloten eine falsche Höhe angegeben hatte, so die Untersuchungsrichter. Da der Pilot bereits auf die Frequenz der Flugsicherung in Dübendorf gewechselt hatte, war er per Funk für den Flugverkehrsleiter aber nicht mehr erreichbar. Er versuchte deshalb, Dübendorf telefonisch zu erreichen, doch dafür reichten die 58 Sekunden nach der fehlerhaften Höhenanweisung nicht mehr.
Durch den heftigen Aufprall wurde die F/A-18 komplett zerstört und der Pilot sofort getötet. Auch der bordeigene Flight Data Recorder („Black Box“) wurde derart zerstört, dass eine Auswertung unmöglich war. Trotzdem konnte der Flugweg mit den zur Verfügung stehenden (Radar-) Aufzeichnungen vollständig rekonstruiert werden.
Abweichungen des Leader-Flugzeugs
Im Untersuchungsbericht geht der fliegerische Experte davon aus, dass der Unfall ohne die zu tiefe Höhenangabe des Flugverkehrsleiters wohl nicht passiert wäre. Der Experte hält allerdings auch fest, dass der Leader die Vorgaben für das gewählte Startverfahren nicht vollständig eingehalten habe. So sei er mit einer zu tiefen Geschwindigkeit geflogen, was zu einem kleineren Abstand zum zweiten Flugzeug und einem unterschiedlichen Steigwinkel geführt habe. Deshalb sei das Leader-Flugzeug im gewählten Suchmodus möglicherweise nicht mehr im Sichtbereich des Bordradars des zweiten Flugzeuges gewesen, was das vorgesehene Radar-Trail-Departure-Verfahren verunmöglichte. Das Verhalten des Leaders wird vom fliegerischen Experten aber nicht als falsch taxiert. Die Abweichungen seien nicht gravierend gewesen und wieder auskorrigiert worden. Eine zweckmässige Verwendung des vorhandenen Spielraumes beim Leader hätte aber gemäss den Experten ein Aufschalten des Radars vom Trailer auf den Leader wahrscheinlich ermöglicht.
Alte Radaranlage
Technische Mängel als Unfallursachen schliesst die Militärjustiz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus. Festgehalten wird jedoch, dass Radaranlage in Meiringen zum Unfallzeitpunkt 30 Jahre alt war, was allenfalls einen Einfluss auf den Flugunfall gehabt haben könnte. Insbesondere sei das Radarsystem nicht immer in der Lage, innert nützlicher Frist die Daten bereitzustellen, die der Flugverkehrsleiter brauche. Die Eigenschaften des in der F/A-18 eingebauten Geländewarnsystems führten laut dem vorliegenden Bericht dazu, dass eine Warnung maximal drei Sekunden vor der Kollision hätte erfolgen können – eine extrem kurze Zeitspanne, um noch rettend eingreifen zu können.
Der verunfallte 27-jährige Pilot wurde erst 2015 als Militärpilot brevetiert und befand sich zum Unfallzeitpunkt kurz vor Abschluss des Umschulungskurses zum F/A-18-Piloten. Er verfügte entsprechend noch über wenig Flugerfahrung. Laut dem Untersuchungsbericht sei er jedoch ohne Probleme in der Lage gewesen, das vorgesehene Kampfflugtraining zu fliegen.
Juristische Konsequenzen
Aufgrund der Untersuchungsergebnisse besteht für die Militärjustiz ein Anfangsverdacht auf fahrlässige Tötung sowie der Störung des öffentlichen Verkehrs durch den Flugverkehrsleiter der Skyguide. Deshalb wird eine Voruntersuchung eröffnet, ob diese Tatbestände erfüllt sind. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Verhalten des Leaders im Steigflug mitursächlich für den Unfall ist. Deshalb wurde auch eine Voruntersuchung eingeleitet, ob der Leader wegen Nichtbefolgen von Dienstvorschriften, Missbrauch und Verschleuderung von Material und fahrlässiger Tötung angeklagt wird. Die Militärjustiz hält fest, dass für die Beschuldigten die Unschuldsvermutung gilt. Auf jeden Fall zeigen die Ergebnisse der Unfalluntersuchung, wie professionelles Verhalten von Piloten und Flugverkehrsleitern unter schwierigen Bedingungen in jeder Sekunde gefragt ist, damit die Missionen erfolgreich durchgeführt werden können. pd / Eugen Bürgler