Lufthansa Group und EasyJet brauchen Staatshilfe
24. April 2020: Die Luft für die Fluggesellschaften wird von Tag zu Tag dünner. Die für die Schweiz am relevantesten Airlines, die zur Lufthansa-Group gehörende Swiss, und die zur EasyJet-Gruppe gehörende EasyJet Switzerland benötigen Staatshilfe, um wieder starten zu können. Der Bundesrat sollte nächste Woche darüber entscheiden.
Die Zahlen sind erschreckend: Der Konzernumsatz der Lufthansa Group sei im ersten Quartal 2020 auf vorläufiger Basis um 18 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro (Vorjahr: 7,8 Milliarden Euro) gesunken, teilte die Airline-Gruppe mit. Allein im März ging der Umsatz um knapp 1,4 Milliarden Euro beziehungsweise 47 Prozent zurück. So weisen die Airlines der Lufthansa Group im ersten Quartal einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro aus, im Vorjahr betrug der Verlust in derselben Zeitspanne 336 Millionen Euro.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr erwartet dass bis zum Ende der Krise die Flotte von zuletzt rund 760 Flugzeuge um 100 Flugzeuge verkleinert werde. Das erklärte er am 24. April seinen Angestellten. Daraus ergebe sich eine um 10’000 Mitarbeiter kleinere Belegschaft, ergänzte Spohr weiter. Er rechnet nicht mit einer Normalisierung der Lage vor 2023.
EasyJet erwartet für das erste Halbjahr, das bei ihr Ende März 2020 endete, einen Verlust vor Steuern in der Grössenordnung von 212 bis 235 Millionen Euro. Das entspreche einem besseren Gesamtverlust vor Steuern als im Vorjahr als im ersten Halbjahr rund 317 Millionen Euro Verlust eingeflogen wurden, so EasyJet. Da ihre Flotte derzeit aber komplett am Boden steht, wird fürs zweite Halbjahr ein weitaus grösserer Verlust erwartet.
Aktuell sei nicht absehbar, wann die Lufthansa-Konzernairlines ihren Flugbetrieb wieder über den aktuell geltenden Rückkehrer-Flugplan hinaus aufnehmen können, so die Lufthansa Group. Der Konzern erwartet deshalb im zweiten Quartal einen erheblich höheren operativen Verlust als im ersten Quartal. Die verfügbare Liquidität der Lufthansa Group betrage aktuell rund 4,4 Milliarden Euro. Finanzierungsmassnahmen im Umfang von rund 900 Millionen Euro seit Mitte März hätten zur Stärkung der Liquidität beigetragen, so die Gruppe weiter. Dabei wurden insbesondere bilaterale Kreditlinien gezogen und kurzfristige Darlehen abgeschlossen.
Mit einschneidenden Kostenmassnahmen, dem Aufschub des Kaufs von 24 neuen Airbussen und der Beschaffung umfangreicher neuer Finanzmittel würde sichergestellt, dass EasyJet über genügend Liquidität verfüge, um eine längere Flotten-Stilllegung zu überstehen, teilte die Airline mit, welche Flotten ab England, der Schweiz und Österreich betreibt.
Angesichts des Geschäftsausblicks, bestehender Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe aus Lieferungen und Leistungen und aus Kundenanzahlungen für Tickets mittlerweile stornierter Flüge sowie anstehender Rückzahlungen von Finanzverbindlichkeiten, geht der Lufthansa-Konzern von einem deutlichen Rückgang der Liquidität in den nächsten Wochen aus. Er rechnet nicht damit, den entstehenden Kapitalbedarf mit weiteren Mittelaufnahmen am Markt decken zu können und befindet sich deshalb in intensiven Verhandlungen mit den Regierungen seiner Heimatländer hinsichtlich verschiedener Finanzierungsinstrumente, um kurzfristig eine nachhaltige Sicherung der Solvenz zu erreichen.
EasyJet, deren gesamte Flotte von 337 Flugzeugen derzeit am Boden steht, hat ein Finanzierungsprogramm aufgestellt, das fast zwei Milliarden britische Pfund (2,3 Milliarden Euro) an zusätzlichen Mitteln zur Liquiditätssicherung zur Verfügung stellt. EasyJet sei auch gut positioniert, um eine längere Stillegung der gesamten Flotte zu überstehen. So gibt es Szenarien für drei, sechs und gar neun Monate. Dennoch hat EasyJet Switzerland, die rund 1000 Angestellte in Genf und Basel beschäftigt, auch beim Bund angeklopft und ein Gesuch für eine Liquiditätsspritze gestellt.
Am 8. April hat sich der Bundesrat bereit erklärt, Massnahmen zu prüfen, damit die internationale Anbindung der Schweiz im Luftfahrtbereich durch die Corona-Pandemie nicht gefährdet wird. Grundvoraussetzung für eine finanzielle Unterstützung sei eine angemessene Lastenverteilung: Die öffentliche Hand werde nur subsidiär tätig. In erster Linie seinen die Luftfahrtgesellschaften und deren Eigentümer gefordert, alle vertretbaren Massnahmen umzusetzen. Damit spielt der Bund auf die ausländischen Eigentümer diverser Schweizer Fluggesellschaften (Swiss und EasyJet) und Zulieferbetriebe (etwa Swissport oder GateGroup) an. Der Entscheid des Bundesrates, wie der Schweizer Luftverkehrsbranche helfen will, wird für nächste Woche erwartet. Das Hilfspaket soll anschliessend in der Sondersession des Parlamentes beraten werden, diese beginnt am 4. Mai. Hansjörg Bürgi