Massiver Vorstoss der Wasserstoff-Flugzeuge
06. Oktober 2024: BWB, dahinter verbirgt sich das Kürzel für ein Blended Wing Body-Aircraft, einem Nurflügel-Flugzeug, das schon alleine durch seine Konzeption bis 50 Prozent Treibstoff einsparen könnte. Doch dessen nicht genug, soll es sich auch ideal für einen Wasserstoffantrieb eignen. Null CO2-Ausstoss und nicht nur für die US-Air Force angedacht, die inzwischen 235 Millionen US-Dollar dazu freigegeben hat, sondern auch Airlines wie Alaska Airlines und neuerdings auch die englische Billigfluggesellschaft EasyJet interessiert sich dafür.
Woher kommt dieser Sinneswandel vor allen Dingen von den Airlines, die seit Jahrzehnten das Handling mit Nurflüglern kategorisch abgelehnt haben, obwohl man doch wusste, dass es Lösungen an den Airports gibt, wie man dieses Handling ebenfalls in den Griff bekommen könnte. Entscheidend ist wohl hier die Aussage von EasyJet, die am 4. September in einem ehrgeizigen Schritt auf dem Weg zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen bis 2050 in seiner „Net Zero“-Roadmap vorgestellt hat. Seit 2022 arbeitet die Fluggesellschaft intensiv daran, ihren ökologischen Fussabdruck zu minimieren und den Luftverkehr auf eine umweltfreundlichere Basis zu stellen.
Im Gegensatz zu Alaska Airlines, die sich bereits finanziell an der Entwicklung von JetZero beteiligen, hat EasyJet nur seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit erklärt. „Ein weiterer Vorteil des Blended-Wing-Flug- zeugrumpfs ist, dass die neuartige Form potenziell die Speicherung von Wasserstoff ermöglicht und unabhängig von zukünftigen Antriebssystemen ist“, meinte David Morgan, Chief Operating Officer von EasyJet. Ob Brennstoffzellen oder die Wasserstoffdirektverbrennung im Fokus stehen, ist noch offen. JetZero strebt die Inbetriebnahme seines ersten Flugzeugs mit rund 250 Sitzplätzen für etwa 2030 an.
Die Wasserstoffdirektverbrennung in Turbofans wird bei allen großen Triebwerkherstellern wie GE, Pratt & Whitney, Safran und Rolls-Royce bereits intensiv untersucht. Zuletzt meldete Rolls-Royce erste erfolgreiche Prüfstandversuche mit dem Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) mit dem Rolls-Royce Pearl 700. Der Vorteil wäre, dass nicht generell neue Triebwerke entwickelt werden müssten. Doch steckt noch viel Forschungsarbeit dahinter, welche Auswirkungen es haben wird, wenn grosse Mengen kleinster Wassertröpfchen nach der Verbrennung in Reiseflughöhen haben werden, was zur Abdunklung der Atmosphäre führen könntet. Bei der Wasserstoff-Direktverbrennung kommen noch die Russpartikel und das NOx dazu.
Weniger problembeladen zeigen sich hier viele parallele Entwicklungen mit den Brennstoffzellen, die fast ausschliesslich in Europa laufen, aber es sind klare Perspektiven, die sich auch kurzfristiger abzeichnen. Die Brennstoffzellenentwicklung ist auch durch die Bemühungen der Kraftfahrzeughersteller deutlich weiter fortgeschritten. Die Leistungsgewichte steigen und auf breiter Ebene versucht man sich mit der Technologie auseinanderzusetzen. Etwa 2028 bis 20230 werden Brennstoffzellensysteme nicht teurer als Viertaktmotoren sein, so ein Heidelberger Professor.
Es sind die Professoren der Hochschulen und Universitäten, die den zukünftigen Ingenieuren wie an der ETH mit dem Wasserstoffprojekt Cellsius die ersten Inputs vermitteln, um Wasserstoff als Brennstoff einzusetzen. Nach einem ersten reinen Batterieflugzeug steht der Erstflug der modifizierten Sling High Wing H2 an, mit der immerhin ein zweistündiger Elektroflug möglich sein wird. Ein reines Studienobjekt.
Desgleichen das der Dualen Hochschule Schweinfurt. Dort hat man zusammen mit dem Böblinger Unternehmen Kasaero ein Brennstoffzellensystem entwickelt, das als serienreifes Modul demnächst auf dem freien Markt angeboten werden soll. Nutznießer sollen Leichtflugzeughersteller werden. Parallel auf Universitätsebene arbeitet die AeroDelft, eine studentische Ausgründung wie die Zürcher Cellsius in den Niederlanden an die Technologie heran, wobei bemerkenswert ist, dass sich das dortige Studententeam neben einem Sling-Viersitzer gleich auf kryogenen Wasserstoff konzentriert hat.
Den wollen auch die Franzosen für ihren Geschäftsreiseflieger BeyondAero, die sich zunächst nur mit einem G1 SPYL-XL des ursprünglichen amerikanischen Models des Zenit STOL CH 701 versucht haben und im letzten Winter erstmals geflogen sind. Er flog noch mit 1,2 kg gasförmigen Wasserstoff und einem 85 kW Brennstoffzellen-System. Ein Lernobjekt, denn mehr Erfahrungen hatte man in Frankreich bis dato noch nicht mit Wasserstoffantrieben. Höher hinaus möchte man dann mit dem zweimotorigen Sechssitzer BYA-1 folgen, der mit kryogenem Wasserstoff fliegen soll. Vom Leistungsbild her wäre dieses Flugzeug mit dem einer Cessna Citation M2 zu vergleichen.
Sehr viel höher hinaus will das Schweizer Start-up Sirius Jet, ebenfalls mit kryogenem Wasserstoff versorgt, aber das senkrecht startend und landend. Noch ist es nur ein Papiertiger, doch es hört sich spannend an, denn Sirius Jet will ein ähnliches Antriebskonzept wie die Firma Lilium wählen. Bei dem Sirius Jet wird eine Dreiflügelkonfiguration wie die italienischen Avanti zum Tragen kommen. Derzeit ist man jedoch auf weltweiter Partnersuche und das in erster Linie auf finanzieller Ebene. Das ursprünglich aus der Ukraine kommende Team gibt sich sehr selbstgelassen, nennt aber noch keinerlei klare Entwicklungspläne.
Hinter absolut klaren Plänen steht jetzt das Strausberger Unternehmen APUS, das auf internationaler Ebene mit Rolls-Royce und dem Brennstoffzellenhersteller PowerCell aus Schweden zusammenarbeitet. Am 6. September 2024 präsentierte das 70-köpfige Team seinen Technologieträger APUS i-2. APUS steht in erster Linie für Innovationen. So entwickelte oder verbesserte APUS zum Beispiel auch konventionelle Flugmotoren und so werkelt man an Conti-Flugmotoren, die in serienmässige Cessnas Verwendung bei niedrigerem Verbrauch Verwendung finden könnten.
Doch Mittel- und Schwerpunkt ist derzeit das zweimotorige Flugzeugprojekt APUS i-2, dessen schwedische PowerCell Brennstoffzellen die Puffer-Batterien laden und die im Flug die zwei 135 kW Rolls-Royce Elektromotoren direkt antreiben. Rumpf, Flügel und Leitwerk sind Carbon-Sandwichkonstruktionen. Eine Stahlrohrkonstruktion nimmt die Energieeinheit komplett im Nasenbereich auf, während sich die Pufferbatterien im Schwerpunktbereich der Rumpfwanne befinden. Brennstoffzellen können übrigens nie direkt die E-Motoren antreiben! Deswegen müssen immer kleinere Pufferbatterien zwischengeschaltet werden, was allerdings auch den Vorteil hat, dass beim Start theoretisch eine etwas höhere Gesamtleistung zur Verfügung steht.
Packen andere Hersteller ihre Wasserstofftanks lieber in Kugeltanks, so hat sich das Strausberger Ingenieursteam eine etwas ungewöhnliche Art der Druckwasserstoffaufnahme erdacht. Die vier runden zylindrischen Tanks auf jeder Flügelhälfte sind als Holmtanks erdacht, die selbstverständlich im Flug auch hohe Biegelasten aufnehmen müssen. 350 bar sind angedacht. „Mira“, so heisst das viersitzige Flugzeug jetzt, soll mit 23 Kilo Wasserstoff etwa 926 Kilometer weit kommen (500 nm) und soll mit einer Landebahnlänge von maximal 750 Meter auskommen. Eine Steiggeschwindigkeit von 6,26 m/s (1,232 fpm) und Reisegeschwindigkeit annähernd 300 km/h (160 kts) sind die Eckdaten für das 2, 2 Tonnen schwere Flugzeug. In etwa drei Monaten, noch vor Jahresende soll nach verschiedenen Bodentests einschließlich erster Rollversuche unter Umständen der Erstflug erfolgen. Damit wäre „Mira“ das erste vollkommen neu konstruierte Wasserstoffflugzeug der Welt! Eine vergrösserte Version ist ebenfalls angedacht.
Selbstverständlich besitzt „Mira“ ein modernes Glascockpit. Phillip Scheffel, CEO des jungen Unternehmens skizzierte in seiner Rede zum Roll-out den harten Weg zum Wasserstoff-Flugzeug. Mit Kleinaufträgen arbeitete man sich hoch, doch erst vor drei Jahren konnte man das Gesamtprogramm umweltfreundlicher Flugzeuge, beginnend mit der APUS i-2, starten. Angewachsen von 30 auf 70 Mitarbeitern sucht man schon jetzt nach weiteren Experten vom Elektromechaniker über Elektroingenieure und Flugzeugbauern bis hin zu Marketing-Experten, denn in den Köpfen der Betriebsführung reifen schon die Ideen für andere Antriebsarten, andere Einsatzaufgaben und durchaus auch noch größere Maschinen. „Mira“ nach CS 23 ausgelegt, sei nur der Anfang.
Bis 2027 möchte man die EASA-Zulassung in der Tasche haben, so Scheffel. Auch könnte man dann durchaus Flüge zwischen dem Firmensitz in Strausberg bei Berlin nach Sylt und Friedrichshafen am Bodensee durchführen. Doch rückt dann erst noch das Problem mit der Wasserstoffversorgung mit den Flugplatzinfrastrukturen in den Vordergrund. Ohne Elektroladestelle und Wasserstofftankstelle an den Flugplätzen und Flughäfen sind Wasserstoffflugzeuge auch noch nicht betriebsfähig. Sollen eines Tages Flugzeuge mit bis zu 150 Sitzen einmal zwischen den Verkehrsflughäfen pendeln wollen, müssen überall erst einmal die Bagger kommen und neue Leitungen für Strom und Wasserstoff verlegen.
Weniger Probleme sieht momentan Martin Seng mit seinem Ingenieurbüro Sengineers im appenzellausserhodischen Walzenhausen. Er hat mit seinem Team eine CH-750 auf einen Wasserstoffantrieb aus einem Gabelstapler entnommen und umgebaut und möchte ebenfalls noch in diesem Herbst fliegen. Das umgebaute Ultraleichtflugzeug ist sozusagen Ausgangsprodukt für Antriebsstränge im Amateurbereich mit 60 kW und 30 kW Dauerbetrieb. Nicht das einige Projekt, wie CEO Martin Seng zu verstehen gab. „Wir denken da auch an Brennstoffzellensystem mit bis zu 600 kW“, wie er vom Electrifly-In aus Bern zu berichten wusste. Hellmut Penner