Swiss-Piloten erwägen ab Mitte Oktober Streiks

16. September 2022: Seit dem 1. April 2022 fliegen die Piloten der Swiss ohne gültigen Gesamtarbeitsvertrag. Da die Swiss-Geschäftsleitung nicht ausreichend auf die berechtigten Interessen ihrer Cockpit-Crews eingegangen sei, hat der Pilotenverband die Vorbereitungen für den «Plan B» gestartet und heute  mit dem Abstimmungsprozess über eine Arbeitsniederlegung ab dem 17. Oktober begonnen, teilt Aeropers mit. Swiss hat den Cockpit-Crews Verbesserungen im Umfang von 60 Millionen angeboten, Aeropers fordert aber solche im Rahmen von 200 Millionen Franken.

Anscheinend wollen sie Swiss-Piloten dem Beispiel ihrer Kolleginnen und Kollegen bei der Muttergesellschaft Lufthansa folgen. Dort haben Streiks zu neuen Verhandlungen mit der Lufthansa-Geschäftsleitung geführt. Vergangene Woche konnte bekannt gegeben werden, dass die Saläre der Cockpit-Crews erhöht werden und dafür bis Mitte 2023 nicht gestreikt wird. Die Aeropers und die Swiss-Geschäftsleitung verhandeln seit Herbst 2021 erfolglos über einen neuen Pilotengesamtarbeitsvertrag. Nachdem die Geschäftsleitung der Swiss die erste Einigung zwischen den Parteien im Februar verworfen hatte, haben die Aeropers-Mitglieder Ende Juli den vorgelegten GAV2022 ihrerseits deutlich abgelehnt.

Der GAV2022 wurde in einer Phase von sehr grosser Unsicherheit ausgehandelt und in einer Zeit der starken wirtschaftlichen Erholung abgestimmt. Das führte zu einer klaren Ablehnung mit einem Nein-Stimmenanteil von mehr als 80 Prozent, so Aeropers. In der Zwischenzeit habe Swiss zudem sehr gute Halbjahreszahlen präsentiert und der Aufschwung in der Luftfahrt gehe unvermindert weiter. Trotz all dieser Entwicklungen betrachte die Geschäftsleitung den von ihren Mitarbeitenden klar abgelehnten GAV2022 immer noch als ausgewogen und wolle jedes Zugeständnis an die Piloten mit Gegenforderungen ausgleichen, teilt die Aeropers weiter mit. «Die Geschäftsleitung der Swiss lässt uns mit ihrem Verhalten keine andere Wahl, als weitere Optionen vorzubereiten. Das machen wir mit der Auslösung des Abstimmungsprozesses für eine Arbeitsniederlegung», sagt Thomas Steffen, Vorstand des Pilotenverbandes.

Die Swiss hat eigenen Angaben zufolge dem Pilotenverband Aeropers ein um über 60 Millionen verbessertes Angebot für einen Cockpit-Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterbreitet. Der Vorstand von Aeropers habe dieses aber als ungenügend zurückgewiesen und seinerseits Forderungen im Umfang von über 200 Millionen gestellt, teilt die Airline mit. Konkret umfasste das Swiss Angebot:

–     Massnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben im Wert von rund 30 Millionen über die Vertragslaufzeit von vier Jahren

–     Angebot zur teilweisen Umlagerung der variablen Lohnkomponenten in den Fixlohn oder alternativ die Erhöhung der variablen Lohnkomponenten bei einer adjustierten Gewinnmarge (EBIT) zwischen sechs und zwölf Prozent

–     Erhöhung der Gesamtvergütung der Cockpit-Crews in Abhängigkeit vom Dienstjahr um jährlich zwischen 3000 und 9000  Franken (inklusive variabler Vergütung und Pensionskasse).

Auch gegenüber dem Gesamtarbeitsvertrag 2018 stelle dieses Angebot eine deutliche Verbesserung dar, so Swiss. Demgegenüber würden die Forderungen von Aeropers über die vereinbarte Vertragslaufzeit von vier Jahren die Cockpitpersonalkosten von rund einer Milliarde Franken um total über 200 Millionen Franken erhöhen. Swiss bedauert die Ablehnung durch den Aeropers-Vorstand und verfolge nach wie vor das Ziel, einen neuen Gesamtarbeitsvertrag im Sinne ihrer Piloten und des gesamten Unternehmens abzuschliessen und stehe für weitere Verhandlungen zur Verfügung, teilt sie mit.

«Die Pilotinnen und Piloten der Swiss befinden sich in einem grossen Dilemma», sagt Henning M. Hoffmann, der Geschäftsführer der Aeropers. «Einerseits müssen sie der Geschäftsleitung offenbar noch deutlicher zeigen, dass sie unzufrieden sind, andererseits wollen sie der eigenen Firma und den Kunden nicht schaden». Die Aeropers-Mitglieder und der Vorstand erwarten nun ein markant verbessertes Angebot der Swiss-Geschäftsleitung. «Falls diese die Zeichen der Zeit weiterhin nicht erkennt und nicht zeitnah adäquate Lösungen anbietet, dann sehen sich die Pilotinnen und Piloten gezwungen, den «Plan B» weiter zu verfolgen», so Hoffmann weiter. «Falls die Mitglieder dem Antrag des Vorstandes zustimmen und die Swiss in der Zwischenzeit kein deutlich verbessertes Angebot vorlegt, sind ab dem 17.Oktober Streikmassnahmen möglich».  hjb