Hyperschall-Pläne aus Payerne
18. Mai 2023: Der ausgewanderte Russe und Kreml-Kritiker Mikhail Kokorich, Physiker und Unternehmer hat grosse Pläne. Nicht ganz unumstritten sind seine Ideen, mit Hyperschallflugzeugen Flüge um die ganze Welt zu ermöglichen. Dabei hatte Kokorich schon einmal die Firma Momentus mit ähnlicher Zielrichtung gegründet, die er als CEO kurz wieder vor dem Börsengang verlassen haben soll. Man warf Momentus vor, Investoren getäuscht zu haben,- eine Praxis die die sowohl bei VTOL-Start-ups wie auch bei Hyperschallprojektplanern durchaus gängige Praxis zu sein scheint, um an schnelles Geld zu kommen.
Als „Destinus“ hat sich Kokorich nun in Payerne etabliert, von wo aus er sein 80 Mann starkes auf Europa verteiltes Entwicklerteam steuert. Immerhin wusste er bereits seine über Deutschland, Frankreich und Spanien verteilte Ingenieure und Techniker so zu steuern, dass es nicht nur zu einem gemeinsamen Foto kam und er für einen Demonstrator geschickt den Namen „Eiger“ erteilte, sondern das auch das spanische Verteidigungsministerium eine Finanzspritze in Höhe von 11,95 Millionen Franken überliess. Spanien versucht eine führende Rolle im Überschallflug, vorbei an amerikanischen Plänen, einzunehmen.
Kokorich Pläne basieren auf der Idee Fracht oder Passagiere in 90 Minuten von Europa nach Australien zu transportieren. Das zu noch in klimaneutraler Weise mit Hilfe von Wasserstoff. Triebwerke dazu gibt es noch nicht, doch immerhin haben Triebwerkshersteller wie Rolls-Royce und Pratt & Whitney bereits bewiesen, dass sich Turbojettriebwerke durchaus für den Betrieb mit Wasserstoff eignen würde. Im Hyperschallbereich, so die Experten, müsste man dann wohl auf Staustrahltriebwerke (Ramjets oder Scramjets) greifen.
Staustrahltriebwerke besitzen keine mechanischen Komponenten zur Verdichtung der anströmenden Luft. Allein durch das sehr hohe Tempo staut und verdichtet sich die Luft in der Brennkammer. Deshalb funktionieren sie nicht vom Start weg, sondern erst ab einer gewissen Mindestgeschwindigkeit. Bei Ramjets entsteht schliesslich ein vertikaler Verdichtungsstoss am Triebwerkseinlauf, hinter dem die Luft mit Unterschallgeschwindigkeit strömt. Bei Scramjets wird die Strömung bis zum Eintritt in die Brennkammer durch mehrere schräge Verdichtungsstösse auf etwa 30-50 Prozent der Flugmachzahl abgebremst und damit verdichtet. Bei realen Brennkammerlängen ergeben sich damit Verweilzeiten im Bereich von einer bis zwei Millisekunden, in denen der Verbrennungsvorgang abgewickelt sein muss. Ausserdem entstehen beim Aufstau der Luft im Triebwerk enorme Temperaturen und Drücke.
Bei der Verwendung solcher Triebwerke, die mit Wassersoff betrieben werden, muss die gesamte aerodynamische Ausrichtung des Flugkörpers auf den Antrieb ausgerichtet werden. Dem kommen Kokorichs Ingenieure und Aerodyamiker mit dem bereits flugfähigen Demonstrator entgegen, da er nur im Unterschallbereich getestet wird. Triebwerksspezialisten halten dem entgegen, dass ein luftatmendes Hyperschalltriebwerk, also bis zu 15-facher Schallgeschwindigkeit nicht vor 2030 verfügbar sein wird und ein entsprechendes Flugzeug, wenn der Bedarf wirklich vorhanden ist, auch nicht vor 2040 auf den Markt käme.
Vorteile des Wasserstoffeinsatzes liegen auf der Hand. Wasserstoff besetzt gegenüber Kerosin, die dreifach höhere Energiedichte. Doch Lagerung, Betankung und Leitungsführungen stecken noch in den Kinderschuhen. Der erste Versuchsträger, der demnächst mit flüssigen Wasserstoff in die Luft kommen soll, ist das deutsche Versuchsflugzeug HY4. Alle anderen Flugzeuge flogen nur mit Wasserstoff-Drucktanks, die mit bis zu 700 bar geladen werden mussten. Vor dem Projekt aus Payerne steckt insofern noch sehr viel Entwicklungsarbeit.
So wird man denn auch nach wie vor 19 Stunden von Zürich nach Sidney brauchen, bevor Kokorichs Eiger-Nachfolger ebenfalls in Zürich abheben könnte. Zudem werden auch noch sehr viele Finanzierungsrunden erforderlich sein und nur wenige Millionen Franken werden weder eine Triebwerks- noch eine Zellenentwicklung möglich machen. Schon die Concorde-Entwicklung verschlang vor 50 Jahren rund drei Milliarden Franken. Das Fünffache für ein heutiges Hyperschallflugzeug anzusetzen, wäre nicht übertrieben. Hellmut Penner