Kollision in Dittingen von 2015 aufgeklärt
11. Februar 2024: Anlässlich der Dittinger Flugtage 2015 kollidierten zwei Ikarus C 42B der deutschen Formation „Grasshoppers“ und stürzten ab. Ein Pilot kam dabei ums Leben, der andere wurde leicht verletzt. Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) folgert in ihrem kürzlich publizierten Schlussbericht, dass der eine Pilot beim Fliegen einer wellenförmigen Flugbahn die vorausfliegenden beiden anderen Flugzeuge nicht gesehen hatte. Zudem seien die Piloten nur unvollständig im Formationsflug ausgebildet worden, hält die SUST weiter fest.
Die Formation „Grasshoppers“ bestand aus drei Piloten, die mit ihren Ultraleichtflugzeugen (UL) des Musters Ikarus C 42 B regelmässig zusammen Formationsflüge ausführten und ihr Können auch vor Publikum vorführten. Am Freitag, 21. August 2015, flogen die drei Piloten vom Flugplatz Bremgarten aus zum Flugfeld Dittingen, wo sie am selben Abend noch einen Trainingsflug starteten. Dieser Trainingsflug, der rund 12 Minuten dauerte, galt auch als sogenannter Abnahmeflug gegenüber dem BAZL.
Am Sonntag, 23. August 2015, führten die drei Piloten gemäss SUST-Bericht ihre Flugvorbereitungen ohne Zeitdruck durch. Sie beabsichtigten, zu demselben Flugprogramm, wie sie es schon tags zuvor und seit zwei Jahren praktisch unverändert geflogen hatten, zu starten. Um 11.17 Uhr hoben sie ab. Danach schlossen sie auf einer Flughöhe von 300 Fuss über der Flugfeldhöhe zu einer Dreiecksformation auf. Dabei flog Pilot 1 als Formationsführer (Leader) in der Formation vorne, Pilot 2 in der Position hinten rechts und Pilot 3 hinten links, beide in einer Flügellinie mit jeweils gleichen Abständen zum Leader.
Vor der zweitletzten Figur, der sogenannten Welle, flogen sie eine Linkskurve in Dreiecksformation um auf die Vorführachse einzudrehen. Im Geradeausflug verlangsamte der Leader die Geschwindigkeit, damit die hinter ihm fliegenden Piloten 2 und 3 ihn überholen konnten. Nach dem Überholmanöver flogen die beiden Flugzeuge 2 und 3 mit einem seitlichen Abstand von ungefähr vier Flügelspannweiten zwischen den Flügelenden. Danach übernahm Pilot 3 die Führung, gab das Kommando „Smoke on“ und flog im Horizontalflug geradeaus weiter. Das Flugzeug von Pilot 2 befand sich dabei rechts von ihm auf gleicher Flughöhe mit gleicher Fluggeschwindigkeit. Pilot 1 leitete beim Kommando „Smoke on“ einen Steigflug ein und flog anschliessend zwischen den Flugbahnen der beiden vor ihm fliegenden Flugzeugen eine wellenförmige Flugbahn. In den Kulminationspunkten dieser wellenförmigen Flugbahn war seine Flughöhe jeweils höher als diejenige der vor ihm fliegenden Flugzeuge und in den Wellentälern tiefer.
Beim Einleiten des dritten Steigfluges sah Pilot 1 die beiden anderen Flugzeuge und deren Rauch gemäss SUST-Bericht nicht. Er gab an, dass er die Motorleistung reduziert und die Nase seines Flugzeuges nach unten gedrückt habe. In demselben Moment, als er den Knopf zum Senden eines Funkspruchs drückte, habe er einen Schlag wahrgenommen. Die Flugzeuge 1 und 2 kollidierten um 11.21 Uhr. Beim Zusammenstoss der Oberseite von Flugzeug 1 (D-MSON), mit der Unterseite des hinteren Rumpfteils von Flugzeug 2, (D-MUHH), kippte das Flugzeug 2 um die Querachse nach vorne unten und stürzte senkrecht ab.
Das Flugzeug zerschellte an einem Unterstand im Dorf Dittingen und wurde dabei vollständig zerstört. Der Pilot wurde tödlich verletzt. Der Pilot im Flugzeug 1 konnte kurz nach der Kollision den Auslösemechanismus des ballistischen Rettungssystems betätigen, worauf sein Flugzeug am Fallschirm hängend im Garten eines Hauses am Dorfrand von Dittingen zu Boden kam. Der Pilot zog sich dabei nur leichte Verletzungen zu und konnte sein Flugzeug aus eigener Kraft verlassen. Das dritte Flugzeug war von der Kollision nicht betroffen und landete in Dittingen.
Als direkte Ursache dieses Unfalls ermittelte die SUST das Fliegen einer wellenförmigen Flugbahn mit Flugphasen ohne Sicht auf zwei vorausfliegende Flugzeuge der Formation, deren Flugebene durchstossen wurde. Ebenfalls zum Unfall habe das Fliegen einer absinkenden Flugbahn der vorausfliegenden Flugzeuge der Formation beigetragen, so die SUST. Als systemisch-beitragender Faktor des Unfalls wird von der SUST auch die unvollständige Ausbildung der Piloten im Formationsflug erachtet, was dazu geführt habe, dass die Gefahren und Risiken der geflogenen Figur nicht erkannt wurden. Die SUST hat in ihrer Sicherheitsempfehlung 538 festgehalten, dass die EASA durch geeignete Massnahmen sicherstellen sollte, dass für öffentliche Flugvorführungen international standardisierte Richtlinien in allen Mitgliedstaaten angewendet werden. Hansjörg Bürgi
SUST-Schlussbericht als PDF: D-MSON_D-MUHH