61 Tote nach ATR 72-Absturz in Brasilien

10. August 2024: Am gestrigen Freitag um 13.22 Lokalzeit stürzte die ATR 72-500 PS-VPB der brasilianischen Fluggesellschaft Voepass bei Vinhedo, nördlich von Sao Paulo ab. Alle 61 Personen an Bord kamen dabei ums Leben. Im Vordergrund der Unfalluntersuchung steht eine mögliche Vereisung, weil das Flugzeug im Reiseflug in eine Vrille geriet und trudelnd auf den Boden stürzte. Es ist erst der zweite und bislang fatalste Unfall eines Verkehrsflugzeuges in 2024. Am 24. Juli verunfallte eine CRJ-200 in Kathmandu, dabei kamen 18 Menschen um.

 

Die 2010 gebaute ATR 72-500 flog seit Mitte Oktober 2022 bei der brasilianishen Voepass als PS-VPB. Am 9. August startete sie um die Mittagszeit in Cascavel (CAC), um mit 57 Passagieren und vier Besatzungsmitgliedern nach Sao Paulo-Guarulhos (GRU) zu fliegen. Gemäss Angaben von „Aviation Safety Network“ stieg die Crew für den Reiseflug auf FL 170. Für diese Höhe und diesen Flugweg wurde eine Wetterwarnung (SIGMET) herausgegeben, welche auf „severe icing between FL120 and FL210″ hinwies, also auf starke Vereisung zwischen 3600 und 6400 Metern Flughöhe. Um 13.21 Uhr Lokalzeit geriet die ATR 72 gemäss Radardaten in einen steilen Sturzflug. Nur eine Minute später prallte sie bei Vinhedo auf. Filme von Augenzeugen zeigen ein sich rasch dem Boden nährendes, trudelndes Flugzeug.

 

Der Absturz in Brasilien mit einer ATR 72 ruft Erinnerungen an den American Eagle Flug 4184 von Indianapolis nach Chicago hervor: Am 31. Oktober 1994 geriet damals ebenfalls eine ATR 72-212 in starke Vereisung, die Piloten verloren die Kontrolle und das Flugzeug stürzte in ein Feld. Alle 68 Menschen an Bord kamen bei dem Aufprall mit hoher Geschwindigkeit ums Leben. Auch in jüngerer Zeit haben sich Unfallermittler mit vereisten ATR 72 beschäftigt. Norwegische Ermittler haben aufgedeckt, dass eine ATR 72-600 einen schwerwiegenden Kontrollverlust mit übermässiger Flügelneigung erlitt, als die Besatzung während eines Inlandsflugs zwischen Bergen und Alesund zu spät versuchte, der Vereisung zu entkommen. Die Untersuchung des Vorfalls, bei dem es sich um einen Flug von Jet Time für SAS am 14. November 2016 handelte, ergab, dass die Piloten auf eine mässige Vereisung vorbereitet waren, die Eisschutzsysteme aktiviert hatten und auf die Eisbildung achteten, als das Flugzeug auf dem Weg nach 19’000 Fuss über 10’000 Fuss stieg. Die Besatzung erlangte aber wieder die Kontrolle über das Flugzeug und konnte ohne weitere Probleme auf dem Flughafen Alesund landen. Keiner der 40 Insassen wurde verletzt, und das Flugzeug blieb unbeschädigt.   Hansjörg Bürgi

 

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