Fracht-Caravan kommt ohne Pilot aus
15. April 2023: Piloten sind teuer und auch rarer! Es mehrt sich die Zahl von Unternehmen, die darauf setzen, kommerzielle Frachtflüge autonom durchzuführen. Das in Boston/USA ansässige Start-up-Unternehmen Merlin hat bereits ehrgeizige Pläne. Im Gegensatz zu einem kalifornischen Mitbewerber Pyka, die mit einer Art UL-Drohnen nur bis zu 145 kg mitnehmen können, setzt Merlin auf wesentlich grössere Lasten und will dies zunächst mit einer Cessna 208B Grand Caravan in Alaska in den kommenden Monaten testen.
Vorangegangen waren Flüge mit einer Beechcraft King Air, einer De Havilland Canada Twin Otter und zwei Typen von Rutan Aircraft: einer LongEZ und einer Cosy. Die Ziele sind sehr hochgesteckt. So arbeitete man auch mit der US-Air Force zusammen, die daran denkt, ein solches System auch in einer Lockheed Martin C-130 zu testen und weiter zu entwickeln. Matthew George, Chief Executive von Merlin meint, dass die ersten Flugversuche entscheidend für die Weiterentwicklung des Systems seien, nachdem man Hunderte von Flugversuchen in der Mojave-Wüste mit insgesamt mit fünf verschiedenen Flugzeugmustern durchgeführt habe.
Er hatte die neue Gesellschaft 2018 gegründet, um eine Art „Drop-in Autonomie-Kits“ zu entwickeln. Dazu hatte er sich auch Alex Naiman, einem ehemaligen Airbus-Ingenieur geholt, der an der Leitung des Wayfinder-Projekts für eine autonome A350 zuständig war. Da nichts ohne die FAA geht, ist die Zusammenarbeit mit der US-Zulassungsbehörde natürlich sehr gross. Die gab nun einen Ein-Millionen Dollar-Zuschuss für die Breitenerprobung in Alaska frei, wo die Flugplätze Fort Yukon, Galena, Prudhoe Bay, Huslia und Tanana in Kooperation mit der lokalen Fluggesellschaft Everts Air Cargo ohne Passagiee und ohne Fracht durchgeführt werden sollen, um das noch experimentielle Flugsteuerungssystem unter Beweis zu stellen. Selbstverständlich wird sich noch ein Sicherheitspilot mit an Bord befinden. Ein weiterer Partner in Alaska ist übrigens die University of Alaska Fairbanks, die vor Ort ein Testgelände für unbemannte Drohnen betreibt.
Total neu ist dies Technologie allerdings nicht, denn sie baut auf die ersten ILS-Systeme auf, denen Autopiloten folgten und die in 1970er-Jahren am Bodensee-Airport Friedrichshafen im Rahmen einer militärischen Untersuchung in Zusammenarbeit dem früheren BGT (heute Diehl) und der Stuttgarter Firma SEL vollautomatische Landungen mit einer Dornier Do28D-2 Skyservant testeten. Das damalige System basierte auf dem Mikrowellenlandesystem (MLS), das später durch verbesserte GPS-Navigationssysteme sowie durch GNS voll ersetzt wurde.
Doch an in Anlehnung an die damaligen Flugversuche mit dem MLS-System ist der Bodensee Airport bereits als Airport für Testflüge mit autonomen Frachtflugzeugen ausgewählt worden. Wann hier wie auch in den USA in breiterem Rahmen die Testflüge begonnen oder auch erweitert werden ist offen. Matthew George kommt allerdings auch zeitweise ins Wanken: „Wir glauben, dass unbemanntes Fliegen nicht der richtige Weg ist … Wir denken, dass es immer einen menschlichen Piloten geben muss“ – zumindest kurzfristig, sagte er. Inzwischen konnte er auch mitteilen, dass sein Unternehmen 105 Millionen US-Dollar an Finanzmitteln eingesammelt habe. Die Bereitschaft seiner Geldgeber zeugt auch von einer gewissen Überzeugung. Immerhin ist es ihm gelungen, die Flugzeuge des US-Frachtunternehmens Ameriflight mit dieser Technologie auszustatten. Als Back-up versteht sich! Hellmut Penner