Solarstratos strebt Höhenweltrekord an
08. August 2024: Höher, schneller, weiter ist nicht mehr und nicht weniger menschliches Streben in der Aviatik. Es hat bis heute die Fliegerei beflügelt und es ist auch heutzutage mit dem Bestreben verknüpft, möglichst CO2-frei zu fliegen. Die mittlerweile auf dem Flughafen Sion ansässige Solar Stratos will mit ihrem Solarflugzeug den Höhenweltrekord erreichen.
Raphaël Domjan ist einer derjenigen, der sich nach Rekordeskapaden auf dem Wasser schon vor Jahren der Fliegerei mit dem Ziel verschrieben hat, möglichst bis an den Rand der Atmosphäre zu fliegen. 25’000 Meter war sein erklärtes Ziel und das mit einem Passagier an Bord. Der Antrieb, ein 25 kW-Elektromotor aus dem Hause Geigerengineering, der in ganz Europa eher Trikes antreibt. Der Hersteller des Flugzeugs ist derselbe wie auch der des inzwischen bekanntgewordenen Elektra Trainers, der mehrfach das Electrifly-In gewonnen hat, Electra Solar.
Doch es geht langsamer als von Raphaël Domjan gedacht. Sein Solar Stratos soll nun erst einmal Elekroflug-Rekorde knacken. Dabei betonte er: „Dieses Flugzeug wurde nicht entwickelt, um in einem Museum zu landen.“ Nach über 100 Entwicklungsflügen sei er bereit, den Höhenrekord in Angriff zu nehmen und dann hoffentlich in die Stratosphäre zu fliegen. „Das wahre Abenteuer beginnt jetzt. Und wer Erkundung und Abenteuer sagt, sagt auch Risiko. Dies ist möglicherweise das letzte Mal, dass Sie unser gesamtes Flugzeug sehen. Sie können es küssen, bevor Sie abreisen“, so seine Worte.
Inzwischen hat sich Domjan mit seinem Solar Stratos am Flugplatz in Sion etabliert, um zu versuchen, die 10’000 Meter zu erreichen, den letzten Schritt vor der Stratosphäre. Am Steuer seines Elektro-Solarflugzeugs will Raphaël Domjan übrigens auch den bestehenden Höhenweltrekord für ein Solarflugzeug aufstellen. Dabei befindet er sich unverhofft in sportlicher Gesellschaft, denn in den USA hat die Gruppe Helios Horizon behauptet, kürzlich den Rekord für das am höchsten fliegende mehrsitzige Elektroflugzeug mit einem Pipistrel Taurus gebrochen zu haben, die es als einen Schritt auf seiner Reise in die Stratosphäre betrachtet. Die jüngste Testkampagne des Teams – durchgeführt im April und Mai in der Nähe von Bishop, Kalifornien – endete damit, dass das Flugzeug in Höhen von 5334 Meter (17’500 ft) bis 7315 Meter (24’000 ft) flog, rein elektrisch.
Miguel Iturmendi, Gründer und Testpilot von Helios Horizon, der zuvor auch den Höhensegler Perlan 2 pilotierte und auf 19’812 Meter (65’000 Fuss) Höhe kam, weiss zumindest, wie sich ein Flugzeug in so grosser Höhe fliegen lässt. Für Raphaël Domjan liegen diese Höhen noch in weiter Ferne, wäre er doch erst einmal froh, an die 10’000 Meter-Höhenmarke zu kratzen. Und wichtig dabei ist überhaupt, sparsam mit der elektrischen Energie umzugehen. Die SolarStratos-Mission wurde auf dem Walliser Flughafen Sion deswegen stationiert, um eine bessere Ausgangsposition zu haben. Im Hinblick auf den Versuch eines Höhenweltrekords für ein bemanntes Elektro- und Solarflugzeug im Rhonetal seien dort die Ausgangsvoraussetzungen denkbar günstiger. Der Versuch wird beim ersten günstigen Wetterfenster gestartet. Um auf 10’000 Meter oder mehr klettern zu können, kommt es darauf an, die sommerlichen Thermikströme auszunutzen.
So soll auch der Flug, um auf 10’000 Meter Höhe zu kommen oder sogar mehr zu erreichen, in mehreren Phasen erfolgen. Dabei werden zunächst vor dem geplanten Abflug und mit frisch geladenen Batterien unter notarieller Aufsicht Siegel an den Ladeanschlüssen angebracht, um zu dokumentieren, dass die Batterien während des Fluges nur mit Solarenergie nachgeladen werden, die von den Zellen des Flugzeugs erzeugt werden. Die auf dem Flügel installierten Solarzellen können aufgrund ihres niedrigen Wirkungsgrades nur einen Teil der benötigten elektrischen Energie bereitstellen. Am Tag des Versuchs wird das von Raphaël Domjan gesteuerte Flugzeug starten, sobald durch einen zur Aufklärung geschickten Motorsegler und den Rat von Aude Untersee von Météo Suisse das Vorhandensein ausreichender Thermik bestätigt wurde.
Domjans Solar Stratos HB-SXA wird in der ersten Flugphase auf etwa 4000 bis 4500 Meter steigen und dabei in erster Linie die Thermik optimal nutzen. Es folgt eine zweite Flugphase in Richtung der angestrebten Rekordhöhe von etwa 9300 Metern und anschliessend mit dem Ziel, auch die 10’000 Meter zu erklimmen. Unter anderem lässt die Steuerwirkung in der dünneren Luft sehr stark nach, wie auch der Wirkungsgrad des Propellers. Zurück auf dem Rollfeld des Flughafens Sion werden die Batterien, die dann immer noch eine gewisse Restkapazität aufweisen sollten, vom Notar überprüft, damit die Aufzeichnung anschliessend von der FAI entsprechend der erreichten Höhe validiert werden kann. Domjan weiss, dass Miguel Iturmendi bereits mehr Erfahrungen mit sich bringt und möglicherweise mit dem Taurus von Pipistrel, der nur rein elektrisch fliegt, dank des Schwenktriebwerks und kräftigerer Batterie durchaus ähnliche Chancen hat, an die 10’000 Meter Marke zu kommen. Ein fairer und dennoch kein direkt ausgerufener Wettbewerb, der der weiteren Entwicklung der Luftfahrt einen großen Dienst erweisen wird.
Die Entwicklung der CO2-freie Elektroluftfahrt braucht solche Meilensteine, denn sollen erst einmal die ersten elektrisch betriebenen Commuter in die Luft gehen, will man sich auch sicher sein, dass deren Antriebe ebenso zuverlässig in grossen Höhen wie bei den Bodentests laufen. Sie sollen, so ist es geplant, ebenso über dem Wetter fliegen können, wie heutige Airliner. Der ehemalige Airbus-Chef Tom Enders äusserte sich einmal zu den 2018 durchgeführten und von Airbus gesponserten Testflügen: „Mit jedem Perlan-Meilenstein lernen wir, wie wir noch höher, schneller und sauberer fliegen können.“ Dem dienen auch jegliche andere Rekordversuche in der Fliegerei. Hellmut Penner