SUST: Gebirgsflugtaktik nicht beherrscht

07. Dezember 2024: Während einer Umkehrkurve im Gebirge in der Nähe von Château-d’Oex stürzte am 29. Juni 2019 bei hohen Temperaturen die Remos GX HB-WYI ab. Die relativ unerfahrene Pilotin und ihr Passagier kamen dabei ums Leben. Die SUST führt in ihrem kürzlich veröffentlichten Schlussbericht den Unfall darauf zurück, dass die Grundprinzipien einer sicheren Gebirgsflugtaktik nicht beachtet worden seien.

 

Die damals 24-jährige Privatpilotin flog am 27. Juni 2019 mit der Remos GX mit einem Passagier von Mollis nach Gruyère. Von dort aus wollten sie nach Münster weiter fliegen. An jenem Sommertag war das Wetter wolkenlos, die Sicht betrug 60 km, aber auf 1300 Meter über Meer war es 30 Grad warm. Der Wind blies mit drei Knoten aus Osten. Die Pilotin und ihr Passagier starteten um 14.56 Uhr auf der Piste 35 in Gruyères. Die HB-WYI stieg anschliessend gemäss SUST-Bericht mit einer durchschnittlichen Steigrate von 475 ft/min in einer weiten Linkskurve über den Lac de la Gruyère und erreichte über der Ortschaft Bulle eine Flughöhe von etwa 4700 ft. Anschliessend flog die HB-WYI mit reduzierter Motorleistung in südlicher Richtung, dabei mehrmals leicht sinkend und wieder steigend, und erreichte während eines Vollkreises bei Montbovon eine maximale Flughöhe von rund 5100 ft AMSL.

 

Anschliessend flog sie nach Osten in Richtung des Pays d’Enhaut. Begleitete wurde die Remos von zwei Piper Super Cub, wobei über Flugfunk besprochen wurde, dass die beiden Piper die Führung übernehmen würden und die HB-WYI hinter diesen herfliegen solle. Zu diesem Zweck leitete die Pilotin eine Linkskurve zur Nordseite des Tals ein und liess die beiden Piper Cub, die in Richtung des Col de Sonlomont flogen, rechts von sich passieren. Die beiden Piper Cub überquerten um 15.12:16 Uhr in einer Flughöhe von rund 5300 ft AMSL in südlicher Flugrichtung den Col de Sonlomont, der sich auf 1487 m/M (4879 ft AMSL) befindet.

 

Zu diesem Zeitpunkt hatte die HB-WYI gemäss SUST-Bericht gerade in einer Rechtskurve in das Tal zum Col de Sonlomont eingedreht und befand sich auf einer Flughöhe von 4806 ft AMSL.Der Einflug in das Tal erfolgte östlich, also links der Talmitte. Der Abstand zum Col de Sonlomont und den voranfliegenden beiden Flugzeugen betrug rund 2,3 km. Die Motorleistung war nach wie vor reduziert und die angezeigte Fluggeschwindigkeit (Indicated Airspeed –IAS) lag bei 61 kt. Nachdem die HB-WYI bis auf eine Flughöhe von 4724 ft AMSL abgesunken war, erhöhte sich zwischen 15.12:26 Uhr und 15.12:36 Uhr die Motorleistung auf maximale Leistung. Gleichzeitig verringerte sich die IAS von 64 kt auf 55 kt.

 

In den nachfolgenden 30 Sekunden flog die HB-WYI mit maximaler Motorleistung talaufwärts gegen ansteigendes Gelände weiter. Die IAS nahm dabei weiter leicht ab, ohne dass das Flugzeug deutlich an Höhe gewann. Um 15:12:56 Uhr befand sich die HB-WYI rund 0,9 km vom Col de Sonlomont entfernt und immer noch 76 ft (23 m) unterhalb der Passhöhe. Die IAS betrug 53 kt, der Längsneigungswinkel (pitch attitude) des Flugzeuges 13,4 Grad. Anschliessend flog die HB-WYI eine Kurve nach links gegen den Hang. Der Motor gab in dieser Phase weiterhin Maximalleistung ab. Nach einer Richtungsänderung von über 90 Grad befand sich das Flugzeug um 15.13:06 Uhr in einer Flughöhe von 4810 ft AMSL, was an diesem Ort rund 75 Meter über Grund entspricht. Die IAS betrug zu diesem Zeitpunkt noch 38 kt und die Querlage nach links 37 Grad.

 

In einer lateralen Entfernung von rund 90 Meter vom letzten, um 15.13:10 Uhr aufgezeichneten Datenpunkt stürzte die HB-WYI  annähernd vertikal in einen steilen, bewaldeten Hang. Unmittelbar vor dem Aufprall in die Waldkrone löste die Besatzung das Gesamtrettungssystem des Flugzeuges manuell aus. Die Rakete zog den Rettungsfallschirm wie vorgesehen aus der Flugzeugzelle. Aufgrund der geringen verbleibenden Höhe über Grund öffnete sich der Fallschirm aber nicht vollständig. Die beiden Insassen erlitten beim Aufprall tödliche Verletzungen. hjb

Die verunfallte Remos GX HB-WYI in Texel. Foto Airneuws

Die Flughöhe der HB-WYI gemäss höhenkorrigierter Daten des Flarm während
der letzten Flugminute vor dem Unfall. Grafik SUST