Viele Fragen nach Jeju-Air-Crash in Südkorea
29. Dezember 2024: 179 der 181 Personen an Bord der Boeing 737-800 HL8088 des Jeju Air Fluges JC2216 aus Bangkok kamen am 29. Dezember kurz nach 9 Uhr Ortszeit bei der missglückten Landung auf dem Muan International Airport (MWX/RKJB) in Südkorea ums Leben. Es ist der schwerwiegendste Flugunfall der letzten Jahre. Damit hat sich 2024 der Trend in Flugsicherheit leider ins Negative gedreht.
Gemäss «Flightradar 24» verlief der knapp fünfstündige Flug aus Bangkok bis kurz vor der Landung normal. Die Aufzeichnung endet auf einer Höhe von 500 Fuss über Grund (der Flughafen Muan liegt praktisch auf Meereshöhe). Die Boeing flog dabei 154 Knoten schnell, also eine normale Anfluggeschwindigkeit. Gemäss Medienberichten hat Flug 7C2216 um 8.54 Uhr die Landebewilligung für die Piste 01, also von Süden her, erhalten. Drei Minuten später soll der Tower die Crew vor Vogelschwärmen gewarnt haben. Um 8.59 Uhr meldete der Pilot, dass das Flugzeug mit einem Vogel zusammengestossen sei, und rief „mayday mayday mayday“ und „bird strike, bird strike, go-around“. Gemäss Medienberichten wurde ein Triebwerk durch den Vogelschlag beschädigt.
Der Pilot brach daraufhin die Landung auf die Piste 01 ab und bat um die Erlaubnis, aus der entgegengesetzten Richtung auf der Piste 19 aus Norden zu landen. Das weist darauf hin, dass die Boeing noch steuerbar war und die Triebwerke noch Leistung abgaben. Die Flugsicherung genehmigte diese Landung um 9.01 Uhr. Um 9.02 Uhr hatte das Flugzeug gemäss Medienberichten Bodenkontakt, als es etwa auf halber Höhe der 2800 Meter langen Landebahn aufsetzte. Aufgrund von Bauarbeiten war die benutzbare Länge der Piste aber auf 2400 Meter verkürzt. Videoaufnahmen zeigen, wie die Boeing sehr schnell mit eingezogenem Fahrwerk und ohne ausgefahrene Landeklappen das letzte Drittel der Piste 19 entlang schlittert und nach deren Ende mit der auf einem Erdwall und einer Mauer stehenden Instrumentanfluginstallation kollidiert.
Dieser Unfall wirft viele Fragen auf: Weshalb war das Fahrwerk der Boeing nicht ausgefahren? Ein Vogelschlag kann zum Ausfall der Triebwerke führen, das Fahrwerk sollte aber trotzdem notfallmässig ausgefahren werden können. Weshalb sind die Piloten nicht in ein Holding geflogen, um allfällige Probleme mit dem Fahrwerk oder dem Vogelschlag zu lösen. Haben die Piloten das Fahrwerk beim Go-around eingefahren? Weshalb wurden die Landeklappen nicht ausgefahren? Weshalb ist die schlitternde Boeing nicht vor dem Ende der 2800 Meter langen Piste zum Stillstand gekommen?
Da Flight- und Stimmenrecorder geborgen werden konnten, wird man den Flug rekonstruieren und hoffentlich bald einige der Fragen beantworten können. Fest steht aber, dass dieser Flugunfall die sehr gute Unfallstatistik der weltweiten Linienfliegerei der letzten Jahre ins Negative wendet: 2023 kamen bei kommerziellen Flügen weltweit nur 72 Menschen ums Leben, 2022 waren es 158. Im Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2023 gab es jährlich nur 143 Opfer in der kommerziellen Luftfahrt. 2024 wird als schwärzestes der letzten Jahre in die Geschichte eingehen, denn der Absturz der Embraer 190 von Azerbaijan Airlines am 25. Dezember hat 38 Menschenleben gefordert, jener der Jeju Air nun 179 weitere. Bereits am 9. August stürzte in Brasilien eine ATR 72 von Voepass ab und riss 62 Menschen in den Tod. Hansjörg Bürgi