Bundeshilfen für Luftfahrtbranche im Anflug

08. April 2020: Der Bund will der von der Corona-Krise stark betroffenen Luftfahrtindustrie helfen, knüpft die Unterstützung aber an strenge Bedingungen. Die Branche nimmt diese Bundeshilfe sehr positiv auf.

Die Luftfahrtindustrie ist sehr stark von der Corona-Krise betroffen. Die Flugbewegungen auf den Schweizer Landesflughäfen sind um mehr als 95 Prozent zurückgegangen. Mehreren Akteuren der Schweizer Luftfahrt drohen deshalb Liquiditätsengpässe. Bei der Luftfahrtindustrie handelt es sich gemäss Bundesrat um eine volkswirtschaftlich kritische Infrastruktur: Eine länger andauernde Unterbrechung der internationalen Anbindung der Schweiz wäre mit substantiellen volkswirtschaftlichen Einbussen verbunden. Mehr als ein Drittel aller Exporte verlassen die Schweiz per Luftfracht und rund ein Sechstel aller Importe erreichen die Schweiz per Flugzeug. Gemessen an Vollzeitstellen beschäftige die Luftfahrtbranche mehr als 190’000 Mitarbeitende in der Schweiz, so die Landesregierung weiter.

Am 8. April hat sich der Bundesrat deshalb bereit erklärt, in Abstimmung mit den Kantonen Massnahmen zu prüfen, damit die internationale Anbindung der Schweiz im Luftfahrtbereich durch die Corona-Pandemie nicht gefährdet wird. Grundvoraussetzung für eine finanzielle Unterstützung sei eine angemessene Lastenverteilung: Die öffentliche Hand werde nur subsidiär tätig. In erster Linie seinen die Luftfahrtgesellschaften und deren Eigentümer gefordert, alle vertretbaren Massnahmen umzusetzen. Damit spielt der Bund auf die ausländischen Eigentümer diverser Schweizer Fluggesellschaften (Swiss und EasyJet) und Zulieferbetriebe (etwa Swissport oder GateGroup) an.

Im Vordergrund stünden dabei Garantien des Bundes, so der Bundesrat. Diese sollen an strenge Voraussetzungen geknüpft werden, um die Risiken für den Bund zu minimieren. Dazu gehört etwa der Nachweis, dass sämtliche Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Zukünftig erwirtschaftete Mittel sind zudem prioritär zur Rückzahlung der Liquiditätshilfen zu verwenden (keine Dividenden oder konzerninterne Rückführungen oder Transfers bis zur vollständigen Tilgung der garantierten Darlehen). Zu den Voraussetzungen gehört auch, dass dem Bund für das von ihm getragene Risiko marktkonforme Zinsen oder anderweitige Vergütungen zustehen sollen. Vom Bund garantierte Mittel müssten ausserdem in einem angemessenen Verhältnis zum Engagement der Muttergesellschaften stehen und ausschliesslich zur Sicherstellung der schweizerischen Infrastrukturen verwendet werden (keine Abflüsse an die Muttergesellschaften ins Ausland). Schliesslich werden Zusicherungen zur langfristigen Beibehaltung der internationalen Luftanbindung der Schweiz erwartet.

Der Bundesrat hat die erwähnten das Finanz-, Wirtschafts– und Verkehrsdepartement beauftragt, ihm Massnahmen und allenfalls notwendige Gesetzesanpassungen vorzuschlagen, um einen unterbruchsfreien und geordneten Betrieb der Landesflughäfen sicherzustellen. Die Departemente erarbeiten bis Ende April einen entsprechenden Vorschlag zuhanden des Bundesrats.

Die Aerosuisse zählt auf den Willen des Bundes, die Existenz der Luftfahrtbranche in der Schweiz sicherzustellen. Nur so könne die für die Schweiz und ihre Wirtschaft dringend notwendige internationale Anbindung nach der Corona-Krise rasch wieder gewährleistet werden, hält der Dachverband der Schweizer Luft- und Raumfahrt fest. „Nur dank der nach wie vor intakten Luftfahrtinfrastruktur können derzeit Rückholflüge, Ambulanzeinsätze und essenzielle Luftfrachttransporte stattfinden“, sagt Aerosuisse-Präsident Thomas Hurter. Wichtig sei nun die Sicherung der Liquidität. Vor diesem Hintergrund zielt das Vorgehen des Bundesrates in die richtige Richtung. „Es ist sekundär, ob Schweizer Luftfahrtunternehmen ausländische Besitzer haben, denn sie sichern Arbeitsplätze hier und zahlen Steuern in der Schweiz“, so Thomas Hurter weiter. Ist die Corona-Krise einmal vorbei, müsse die Schweizer Luftfahrt wieder starten können, die exportorientierte Wirtschaft und der Tourismus sind darauf angewiesen.

Auch die Swiss begrüsst den Entscheid des Bundesrats. Dadurch könne sie mit ihrer modernen Flotte die globale Anbindung der Schweiz sowohl passagier- als auch frachtseitig weiterhin sicherstellen. Das Flugangebot werde auch in Zukunft an den Bedürfnissen der Schweizer Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Tourismus ausgerichtet, hält Swiss fest. Sie teilt auch das Verständnis des Bundesrats, dass das Unternehmen zuerst gefordert ist, alles Notwendige zu unternehmen, um die Liquidität zu erhalten. Unterstützt wird Swiss auch von ihrer Muttergesellschaft Lufthansa, die Finanzmittel zur Verfügung gestellt hat. Da die Dauer der Krise und der Finanzbedarf nicht abschätzbar seien, gebe die subsidiäre Unterstützung des Bundes Sicherheit, auch eine länger andauernde Krise zu überstehen und die schrittweise Wiederaufnahme der Flugverbindungen vorzubereiten, so Swiss weiter.

Mit der angestrebten Überbrückungsfinanzierung des Bundes für die Schweizer Luftfahrt werde sichergestellt, dass aus der temporären Krise in der weltweiten Luftfahrt nicht ein struktureller, nachhaltiger Schaden für die regionale und nationale Wirtschaft entsteht, teilt die Flughafen Zürich AG (FZAG) mit. Wichtig sei dabei, dass alle systemrelevanten Unternehmen davon profitieren könnten, nicht nur die Airlines. Die FZAG geht davon aus, dass sie selber keinen Überbrückungskredit beantragen muss.  Als Betreiberin des grössten Schweizer Landesflughafens ist auch die Flughafen Zürich AG massiv von der aktuellen Situation betroffen. Die Einnahmen aus dem Flugbetrieb und den kommerziellen Zentren bleiben zurzeit fast vollständig aus. Als Infrastrukturbetreiberin kann sie im Gegensatz zu anderen Unternehmen die Kosten aber nur sehr begrenzt reduzieren.

Die Flughafen Zürich AG erwartet jedoch, dass der Bund begleitend zum Hilfspaket auch Massnahmen einleitet, um diejenigen Unternehmen zu schützen, die keine Überbrückungsfinanzierung beantragen. Dazu gehört, dass die zur Verfügung gestellten Hilfspakete ebenfalls für vertraglich geschuldete Leistungen an Systempartner wie die Flughäfen eingesetzt werden müssen. Ebenfalls sei eine massvolle Anpassung der Gebührenregulierung zugunsten der Infrastrukturen im Inland zu prüfen, so die FZAG. Im Falle einer länger anhaltenden Krise sei zudem eine adäquate Entschädigung für die Sicherstellung der Grundversorgung, wie dies auch im öffentlichen Verkehr geschieht, entscheidend.   hjb