SUST zu Robin-Absturz: «Hochriskante Bergflugtaktik»

21. Mai 2022: Im sehr heissen Sommer 2018 sind am 4. August nicht nur 20 Personen an Bord der Ju-52 und vier Personen am selben Tag mit der TB-10 HB-EZW bei Flugzeugabstürzen ums Leben gekommen. Bereits eine gute Woche vorher starben im Wallis unter ähnlichen Umständen vier Menschen beim Absturz der Robin DR 400/180 HB-KEE. Der tragische Unfall sei auf eine «hochriskante Bergflugtaktik» zurückzuführen, hält die SUST in ihrem kürzlich veröffentlichten Schlussbericht fest.

Am 27. Juli 2018, gegen 12:45 Uhr, traf der 55-jährige Pilot auf dem Flugplatz Sion ein. Seine Absicht war mit der Robin DR 400/180 HB-KEE zwei Alpenflüge durchzuführen und fünf Passagiere mitzunehmen, um ihnen auch das Matterhorn zu zeigen. Er füllte zwei Fluganmeldungen aus, in denen er für jeden der beiden Flüge eine Flugdauer von 2,5 Stunden angab. Auf dem zweiten Flugbericht gab der Pilot eine Route durch das Val d’Anniviers nach Zermatt an. Auf seinem Flugplan hatte der Pilot die Geschwindigkeiten notiert, um den besten Steigwinkel und die beste Steigrate der 180 PS starken Robin HB-KEE zu erreichen, welche noch am Morgen des Unfalls eine technische Kontrolle durchlaufen hatte.

Um 13.33 Uhr hob die HB-KEE zum ersten Alpenflug ab. Der Pilot wurde von zwei Passagieren begleitet. 28 Minuten später erreichte das Flugzeug das Val d’Anniviers östlich des Pigne de la Lé. Es befand sich im Steigflug und hatte eine Höhe von 3450 Meter über Meer erreicht, was etwas höher als der Col Durand ist. Der Pilot setzte den Steigflug fort und flog direkt auf das Matterhorn zu. Er überflog den Col Durand 31 Minuten nach dem Start in einer Höhe von 3665 Meter über Meer. Dieser erste Flug dauerte eine Stunde und neun Minuten. Der Pilot liess danach den Haupttank mit 75 Liter Flugbenzin füllen.

Um 15.37 Uhr startete die Robin DR 400/180 HB-KEE mit dem Piloten und drei Passagieren an Bord erneut in Sion. Nach dem Start machte das Flugzeug eine halbe Linksdrehung und flog an der Südseite des Rhonetals in Richtung Siders entlang, um an Höhe zu gewinnen. Um 15.45 Uhr drehte der Pilot nach rechts und beschloss, dem Val d’Anniviers zu folgen. Er flog zwei weite Kreise über Chandolin und setzte dann seinen Steigflug in Richtung Grimentz fort, wo er erneut einen weiten Kreis flog. Anschliessend verliess er das Val d’Anniviers und flog in Richtung Lac de Moiry, den er um 16.05 Uhr in einer Höhe von 3050 Meter über Meer überflog.

Von dort aus nahm der Pilot einen Südkurs und flog über den Moiry-Gletscher, wo er im Steigflug eine Serie von drei Kreisen begann und eine Höhe von 3300 Meter über Meer erreichte. Dann setzte er mit einem östlichen Kurs nördlich des Pigne de la Lé den Flug fort und erreichte das Val d’Anniviers. Das Flugzeug stieg leicht und näherte sich dem Grand-Cornier-Gletscher, den es um 16.14 Uhr in einer Höhe von 3450 Meter überflog. Der Pilot begann zwei grosse Linksumkreisungen über dem Roc Noir. Um 16.21 Uhr, am Ende des zweiten Kreises über dem Durand-Gletscher, nahm der Pilot einen südöstlichen Kurs und behielt eine Höhe von 3480 Meter bei.

Seine Höhe über dem Gletscher betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 250 Meter und seine Bodengeschwindigkeit lag bei etwa 80 Knoten. Der Pilot hielt diese Flugrichtung und Höhe etwa 20 Sekunden lang bei und flog auf den Ostgrat des Col Durand auf 3436 Meter Höhe zu. Dann begann er eine Rechtskurve in Richtung Col Durand und das Flugzeug kollidierte um 16.22 Uhr mit dem Geröllfeld an der Nordseite des Ostgrats. Die Robin wurde zerstört und alle vier Insassen erlitten tödliche Verletzungen. Das Notsignal wurde ausgelöst, es brach kein Feuer aus.

In ihren Schlussfolgerungen hält die SUST fest, dass es keine Hinweise auf technische Fehler oder Mängel gibt, die den Unfall verursacht oder zu ihm beigetragen hätten können. Der Pilot war im Besitz der entsprechenden Lizenzen. Die Masse und der Schwerpunkt der HB-KEE lagen innerhalb der vorgeschriebenen Grenzen. Die Masse zum Zeitpunkt des Unfalls betrug etwa 1050 kg. Der Pilot leitete die letzte Rechtskurve ein, als sich das Flugzeug etwa 400 Meter vom Ostgrat des Col Durand entfernt befand, mit einem Abstand von etwa 50 Meter zum Col Durand und einer angegebenen Geschwindigkeit von rund 75 Knoten. Das Flugzeug verlor während der letzten Rechtskurve an Höhe. Das Flugzeug touchierte im Flug mit einer Seitenneigung von etwa 35 Grad das Geröllfeld mit einer angezeigten Geschwindigkeit von etwa 72 Knoten.

Seit dem 1. Januar 2008 hatte der Pilot im Jahresdurchschnitt etwa sieben Stunden und 30 Minuten mit dem betreffenden Flugzeugtyp geflogen. Die hohe Masse des Flugzeugs und seine Steuerung an der Leistungsgrenze stellten für einen wenig geschulten Piloten eine zusätzliche Herausforderung dar, hält die SUST weiter fest. Zudem wies der Wetterbericht des Tages darauf hin, dass der Einfluss der Dichtehöhe zu berücksichtigen sei. Gemäss weiteren SUST-Angaben wurde der Unfall wurde durch eine hochriskante Bergflugtaktik verursacht, die zu einer Kollision mit dem Relief führte. Die geringe Flugausbildung des Piloten habe zum Unfall beigetragen.   Hansjörg Bürgi

SUST-Bericht HB-KEE Französisch

Die Robin DR400/180 HB-KEE in Sion. Foto Jetphotos.net/Marc Ulm

Illustration der letzten Flarm-Messungen (gelb), gefolgt von einer Schätzung der letzten Rechtskurve (orange). Grafik SUST/Google Earth

Blick vom letzten Flarm-Messpunkt um 16.21 Uhr in Richtung Col Durand, bevor die letzte Rechtskurve eingeleitet wurde. Grafik SUST/Google Earth