Zu langsam für den Start – Unfall von Arosa geklärt
06. Oktober 2023: Auf dem temporären Gebirgslandeplatz Isla-Arosa verunglückte am 24. März 2018 ein bekannter Schweizer Gletscherflugpilot. Wie der kürzlich erschienene Schlussbericht der SUST erläutert, erreichte die als N561LC amerikanisch registrierte Maule M-7-235 auf der Schneepiste aufgrund verschiedener Faktoren die für den Start notwendige Geschwindigkeit nicht und kollidierte mit einer Hängebrücke. Dabei kamen der damals 73-jährige Pilot und seine Passagierin ums Leben.
Zum Gedenken an „80 Jahre Winterluftpost in den Bündner Alpen“ organisierte der Aeroclub Ostschweiz zusammen mit der Schweizerischen Gletscherpiloten Vereinigung den Anlass „Fly-in 2018 Arosa-Lenzerheide“. Dieser war vom BAZL bewilligt worden und ermöglichte den Flugbetrieb auf den drei temporären Gebirgslandeplätzen Isla-Arosa, Heidsee-Lenzerheide und Foppa-Churwalden während eines Wochenendes. Für Landungen in Isla-Arosa zugelassen waren nur angemeldete und erfahrene Piloten, die über eine Berechtigung für Landungen im Gebirge verfügten. Zudem mussten sie den Landeplatz vor ihrer ersten Landung terrestrisch rekognosziert haben oder anlässlich einer früheren Veranstaltung bereits einmal dort gelandet sein.
Um 9.37 Uhr startete der Pilot mit der als N561LC eingetragenen Maule M-7-235 auf dem Flugplatz Kägiswil, wo das Flugzeug stationiert mit einer Passagierin. Nach einem Flug von 52 Minuten Dauer landete er zunächst auf dem Landeplatz Foppa-Churwalden. Der Start zum Weiterflug nach Isla-Arosa erfolgte um 13.15 Uhr, die Landung dort um 13.28 Uhr. Um 15.07 Uhr verliess die N561LC ihre Parkposition wieder. Die Landeklappen waren dabei gemäss SUST-Schlussbericht unverändert auf eine Stellung von minus 7 Grad gesetzt. Um das Flugzeug in Bewegung zu setzen, sei eine auffallend hohe Motorleistung erforderlich sowie die Unterstützung einer Hilfsperson an der linken Flügelstrebe gewesen.
Um 15.09 Uhr, nach einem Startlauf von rund 600 Metern Länge und 26 Sekunden Dauer, setzten die Ski 15 Meter vor der Hängebrücke hart auf ansteigendes Gelände auf. Das Flugzeug hob gemäss SUST dadurch schlagartig ab und kollidierte unmittelbar darauf mit der Hängebrücke. Der Motor wurde vom Rumpf abgetrennt und kam zum Stillstand. Beide Insassen wurden durch den heftigen Aufprall tödlich verletzt. Es brach ein Feuer aus, das durch zufällig anwesende Feuerwehrleute rasch unter Kontrolle gebracht werden konnte.
Die Landeklappen der Maule M-7-235 sind als einfache Wölbklappen ausgeführt. Mittels eines Handhebels können diese vom Piloten mechanisch in eine der fünf möglichen Stellungen -7°, 0°, 24°, 40° oder 48° gebracht werden. Im Gegensatz zu Fahrzeughandbremsen und vergleichbaren Konstruktionen anderer Flugzeughersteller muss der Entriegelungsknopf auch zum Ziehen des Handhebels nach oben, also zum Ausfahren der Landeklappen, gedrückt werden. Konstruktionsbedingt gelingt diese Entriegelung jedoch nur dann, wenn auf den Handhebel weder Zug nach oben noch Druck nach unten ausgeübt wird. Bereits geringe Krafteinwirkungen auf den Handhebel verhinderten die Entriegelung, so die SUST.
Bei einer Landeklappenstellung von -7°, die für den Reiseflug zur Reduktion des Luftwiderstandes vorgesehen ist, befindet sich der Handhebel in horizontaler Lage unmittelbar über dem Kabinenboden zwischen den Vordersitzen. Für den normalen Start empfiehlt der Hersteller eine Landeklappenstellung von 24° und für den anfänglichen Steigflug über Hindernisse eine Fluggeschwindigkeit von 65 KIAS. Der Hersteller verwies auf Nachfrage der SUST auf das AFM, wonach Starts mit einer Landeklappenstellung von -7° möglich seien und das Flugzeug damit die „CAR 3 take- off climb requirements“ erfülle. Ein erfahrener Pilot sei sich bewusst, dass Stellungen von -7° oder 0° bei Starts von hochgelegenen und kurzen Pisten nicht zur Anwendung kämen, heisst es weiter.
Der Pilot war als Miteigentümer des verunfallten Flugzeuges mit diesem vertraut. Den Landeplatz Isla-Arosa kannte er gemäss SUST-Bericht von der letztmaligen Veranstaltung im Jahr 2015, als er zusammen mit dem Miteigentümer einen Start mit einer gewollten Landeklappenstellung von 0° ausführte. Der Pilot verfügte über eine Berechtigung als Fluglehrer für Gebirgslandungen (Mountain Rating Instructor– MI). Die Aufzeichnungen beinhalten insgesamt 3181 Gebirgslandungen. Davon erfolgten zehn Gebirgslandungen in den letzten zwei Jahren vor dem Unfalltag, die letzten zwei im Mai 2017. Als Bergführer verfügte der Pilot generell über eine grosse Erfahrung im Alpinismus.
Der Start vom Landeplatz Foppa-Churwalden wies gemäss Beobachtern eine auffallend lange Startstrecke auf. Der Anstellwinkel des Flugzeugs während des Beschleunigungsvorgangs war gering. Somit konnte das trotz präparierter Piste geringe Beschleunigungsvermögen nur in Zusammenhang mit dem Zustand der Skibeläge stehen, halt die SUST weiter fest. Damit sei vor dem Start vom Landeplatz Isla-Arosa ein Hinweis auf die unzureichenden Gleiteigenschaften der Ski vorgelegen, der für den Piloten mit grosser Erfahrung im Gebirgsflug grundsätzlich erkennbar war. Das geringe aktuale Training könne es dem Piloten jedoch erschwert haben, diesen Hinweis zu erkennen. Zudem könnte ihn ein grosses Vertrauen in die hohen Leistungsreserven des Flugzeugs dazu bewogen haben, diesem Hinweis zu wenig Beachtung zu schenken, so die SUST weiter.
SUST führt den Unfall darauf zurück, dass das Flugzeug die für den Start notwendige Geschwindigkeit aufgrund der nachfolgenden Faktoren nicht erreichte: Die Stellung der Landeklappen von -7°, die höhere Startgeschwindigkeiten notwendig machte als die empfohlene Stellung von 24°, dan das auf den Skibelägen ungleichmässig und überschüssig vorhandene Wachs, das die Beschleunigung des Flugzeuges behinderte und die Führung des Höhensteuers, die zu übermässigem induzierten Widerstand und zur Bremswirkung durch das in den Schnee gedrückte Heckrad führte. Der leichte Rückenwind, der die für den Start notwendige Startstrecke noch zusätzlich verlängerte, war ein weiterer Faktor. hjb
Zum SUST-Schlussbericht: N561LC_SB