Auftrieb für Nurflügler-Projekte
22. Februar 2025: Die Röhren-Rumpf-Flügel-Bauweise bei Verkehrsflugzeugen ist seit Jahrzehnten die Praktikabelste, die Aerodynamiker halten sie aber nicht für die Effektivste. Aerodynamisch ausgebildete Körper unterschiedlichster Art haben sich durchaus als auftriebserzeugend erwiesen. Blended Wing-Body (BWB)-Konzepte für mögliche Verkehrsflugzeuge weisen Rümpfe auf, die ähnlich in der Luftströmung sind wie frühere Raumgleiter der NASA. Untersuchungen des Start-up Natilus haben dazu deutlich abgesetzte Flügelstummel, die aber in ihren Dimensionen nicht grösser ausgebildet sind wie bei konventionellen Passagierflugzeugen. Windkanaluntersuche sind die Ergebnisse, die sich nun in einer Cargodrohne von Natilus wiederfinden.
Das in San Diego (Kalifornien) ansässige kleine Start-up Unternehmen Natilus mit seinen etwas mehr als 15 Ingenieuren glaubt mit seinem Flugzeugdesign des Blended Wing-Body (BWB)-Konzeptes die Lösung schlechthin für die Luftfahrt gefunden zu haben. „Als wir das Unternehmen gründeten, wussten wir immer, dass wir irgendwann den Passagiermarkt angreifen würden“, sagte Natilus-CEO und Mitbegründer Aleksey Matyushev. Die kalifornische Entwicklungsfirma hat ihr verkleinertes Konzeptflugzeug für das autonome Frachtflugzeug Kona inzwischen weiterentwickelt, für das es über 400 vorläufige Bestellungen von unterschiedlichen Frachtunternehmen erhalten hat. Das Serienmuster Kona soll vollkommen CO2-frei und autonom fliegen. Ganz anders präsentiert sich die Weiterentwicklung des sehr viel grösseren Konzeptflugzeugs für bis zu 200 Passagiere, deren Konturen unter dem Namen Horizon entstehen und das selbstverständlich wie alle Passagierflugzeuge pilotengesteuert sein wird. Horizon wurde bereits im Herbst 2024 vorgestellt. Es verspricht eine radikale Reduzierung des Energieverbrauchs durch aerodynamische Effizienz.
Bei genauerer Betrachtung stellen die Nur-Flügel-Flugzeuge keine absoluten Neuentwicklungen, sondern nur logische Weiterentwicklungen dar. Auf die eigentlichen Pioniere stösst man in den 1920er- und 1930er-Jahren in Deutschland, wo man bei Hugo Junkers die G38, dem ersten Grossverkehrsflugzeug und bei Gebrüder Horten Passagierkabinen schon in den Flügeln unterbrachte. Northrop hielt sich dabei an die Horten’schen Ideen, die sich später im Bomber B-2 wiederfanden.
Aleksey Matyushev sieht für das kleine autonome Frachtflugzeug, das nur 26 Meter Spannweite aufweist, zwei Brennstoffzellen-Antriebsstränge von Zero Avia mit je 600 kW Antriebsleistung vor. Das 4,3 Tonnen schwere Frachtflugzeug, dessen massstäblich kleineres Muster bereits im vergangenen Jahr erfolgreich flog, erbrachte bereits den Beweis, dass das Nurflügel-BWB-Projekt mit deutlich weniger Antriebsleistung als konventionelle Röhren-Rumpf-Flugzeuge umsetzen können. In der Passagierversion Horizon werden laut Natilus Passagiere bis zu 3500 nm (6482 km) weit befördert werden können, im Vergleich zur Reichweite der Boeing 737MAX8 von 3300 bis 3850 nm.
Natilus ist nicht der einzige Entwickler, der die potenziellen Effizienzen von BWB-Flugzeugdesigns ins ins Visier nimmt, die von der NASA schon seit Jahrzehnten untersucht werden. Auch das US-Start-up JetZero hat ein verkleinertes Modell seines geplanten Pathfinder-Flugzeugs geflogen, das 250 Passagiere befördern soll. Das Unternehmen arbeitet mit der US Air Force zusammen, um einen Prototyp des Designs in Originalgrösse zu entwickeln, und erhielt im August 2024 einen Auftrag der USAF in Höhe von 235 Millionen US-Dollar, um das Projekt voranzutreiben. Der Entwickler von „Blown-Lift“-Flugzeugen Electra hat kürzlich ebenfalls seine Vision eines Verkehrsflugzeugs vorgestellt, das 200 Passagiere befördern kann und das er zusammen mit der NASA und anderen Partnern entwickeln wird und Mitte des Jahrhunderts auf den Markt bringen soll. Auch Bombardier untersucht seit einigen Jahren im Rahmen seines EcoJet-Programms einen BWB-Geschäftsjet.
So positiv sich die Leistungskennlinien auch zeigen, so gross sind allerdings auch die Herausforderungen an die Flugzeugstruktur selbst eine Druckbelüftung auf Reiseflughöhe zu halten. Ein unschlagbarer Vorteil klassischer Rumpfröhren. Deswegen den Sprung von einem kleinen Transporter mit 3800 kg Nutzlast auf 200 Passagiere, die 22’680 kg ausmachen, wird allein aus diesem Grund die stärker auszubildende Kabine-im-Flügel-Konstruktion auch zusätzliches Gewicht bedeuten. Doch nach Auskunft der Natilus-Ingenieure soll es sich trotzdem rechnen. Moderne Faserverbundstrukturen machen es möglich. Hellmut Penner

Horizon ist ein Projekt von Natlus für ein Passagierflugzeug für rund 200 Personen. Grafik Natilus

Horizon ist ein Projekt von Natlus für ein Passagierflugzeug für rund 200 Personen. Grafik Natilus

Das US-Start-up JetZero hat ein verkleinertes Modell seines geplanten Pathfinder-Flugzeugs (Bild) geflogen, das 250 Passagiere befördern soll. Grafik JetZero

Auch Bombardier untersucht seit einigen Jahren im Rahmen seines EcoJet-Programms einen BWB-Businessjet. Foto Bombardier