Boeings MAXimale Probleme dauern an

Vergangene Woche wurde klar, weshalb die Boeing 737MAX-8 der indonesischen Lion Air vor rund einem Jahr abgestürzt ist: Nicht nur das mangelhafte Design der 737MAX, sondern auch Fehler der Piloten haben dazu beigetragen. Für Boeing ist dies jedoch keine Erleichterung, im Gegenteil, ihre Versäumnise wurden bestätigt. Wann die 737MAX wieder fliegen, ist offen.

318 Seiten umfasst der am vergangenen Freitag von der indonesischen Flugunfalluntersuchungsbehörde präsentierte Report über den Absturz des Lion-Air-Fuges 610 am 29. Oktober 2018, bei dem alle 189 Menschen an Bord ums Leben kamen. Wie bei den meisten Flugunfällen führte auch hier eine Verkettung mehrerer Ursachen zum Absturz: Design und Zulassung des MCAS-Trimmsystems haben die Möglichkeit eines Kontrollverlustes nicht angemessen berücksichtigt, steht im Report. Das MCAS-System hat Boeing eingebaut, um einen Strömungsabriss bei der 737MAX zu verhindern. Aufgrund der Lage und des höheren Gewichts der neuen Triebwerke hat sich der 737MAX der Schwerpunkt gegenüber den Vorgängerversionen verschoben. Boeing hat zudem entschieden, dass das MCAS nur von einem Anstellwinkel-Sensor die Daten bezieht, obwohl in der Luftfahrt eigentlich immer alle Systeme redundant vorhanden sind. Zudem hat Boeing die MAX-Betreiber nicht oder nicht ausreichend über die Funktionsweise des MCAS-Systems informiert.

Im weiteren zeigt der Unfallbericht aber auch Versäumnisse bei Lion Air auf: Der Anstellwinkel-Sensor funktionierte bei der Unfall-737MAX PK-LQP nicht korrekt. Es handelte sich angeblich um ein gebrauchtes Ersatzteil eines Lieferanten aus Florida. Auf dem Unglücksflug reagierte das MCAS-System aufgrund des fehlerhaften Ersatzteiles falsch und drückte die Nase der 737 über 20 Mal nach unten. Die Piloten verstanden den Fehler nicht. Gemäss den Ermittlern sorgte der fehlerhafte Sensor dafür, dass der Anstellwinkel um 21 Grad von der wirklichen Fluglage abwich. Das gleiche Fehlverhalten des MCAS-System haben die Piloten am Vortag des Unfalles bereits festgestellt, aber keinen Maintenance-Report verfasst. Deshalb wurde das Problem auch nicht vom Wartungspersonal erkannt und die PK-LQP wurde für den Flug 610 freigegeben.

Problematisch beurteilen die indonesischen Flugunfallermittler auch die Ausbildung der Piloten. Der 31-jährige Captain mit über 6000 Stunden Erfahrung war angeblich erkältet und hätte so gar nicht starten dürfen. Dem 41-jährigen First Officer mit über 5000 Stunden fehlten offenbar die elementaren Grundlagen für seinen Beruf. Er sei schon in der Ausbildung durch schlechte Beurteilungen aufgefallen und in früheren Krisensituationen sei er nicht in der Lage gewesen das Flugzeug richtig zu fliegen, Diese fatalen Erkenntnisse dürften auch von daher ruhen, dass Lion Air zu einer der am schnellsten wachsenden Airlines gehört und anscheinend die Ausbildung der Piloten vernachlässigt hat.

Boeing reagierte auf den Unfallbericht aus Indonesien mit dem Satz „Es tut uns aufrichtig leid“. Über 700 B737MAX stehen derzeit auf diversen Flugplätzen am Boden, jeden Monat kommen 42 neue dazu, soviel produziert Boeing derzeit in Renton. Gemäss eigenen Angaben hat die MAX-Krise Boeing bislang 9,2 Milliarden US-Dollar gekostet. Doch nach den Gerichtsprozessen zu den beiden Unfällen und dem Eingang der Schadenersatzforderungen der Airlines, welche auf die 700 Flugzeuge verzichten müssen dürfte er auf ein Vielfaches steigen. Doch Boeing wird am MAX-Debakel nicht zugrunde gehen. Die Firma ist „too big to fail“ und anscheinend glauben auch die Aktionäre an eine bessere Zukunft für Boeing, denn der Aktienkurs hält sich – mit Schwankungen – einigermassen stabil.    Hansjörg Bürgi

Die auf einem Auto-Parkplatz auf dem Boeing-Field in Seattle abgestellten 737MAX. Foto Peter Schneider

Die auf einem Auto-Parkplatz auf dem Boeing-Field in Seattle abgestellten 737MAX. Foto Peter Schneider

B737MAX von Air Canada und Icelandair, die in Boeing-Field in Seattle auf eine bessere Zukunft warten. Foto Peter Schneider

Die auf einem Auto-Parkplatz auf dem Boeing-Field in Seattle abgestellten 737MAX. Foto Peter Schneider