Bundesrat will Luftfahrt mit 1,9 Milliarden unterstützen
29. April 2020: Der Bundesrat beantragt dem Parlament Kredite von insgesamt 1,9 Milliarden, um unter strengen Auflagen Liquiditätsenpässe in der Schweizer Luftfahrtbranche zu überbrücken. Swiss und Edelweiss sollen rund 1,5 Milliarden Franken bis Ende Jahr erhalten. Um auch den flugnahen Betrieben, wie Swissport, SR Technics oder GateGroup, zu helfen, ist zuerst eine Anpassung des Luftfahrtgesetzes notwendig, welche nächste Woche in der Sondersession behandelt werden soll
Der Verkehr auf den Schweizer Landesflughäfen ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Fluggesellschaften und flugnahen Betrieben im Bereich der Bodenabfertigung und Flugzeugwartung drohen Liquiditätsengpässe. Bei der Luftfahrtindustrie handle es sich um eine volkswirtschaftlich kritische Infrastruktur, hält der Bundesrat weiter fest: Eine länger andauernde Unterbrechung der internationalen Anbindung der Schweiz wäre mit substantiellen volkswirtschaftlichen Einbussen verbunden, deshalb hat der Bundesrat ein Hilfspaket beschlossen, das aber an strenge Auflagen geknüpft ist.
Insbesondere müssten genügend Sicherheiten vorhanden sein. Die öffentliche Hand werde nur subsidiär tätig. In erster Linie seien die Unternehmen und deren Eigentümer gefordert, alle vertretbaren Massnahmen umzusetzen, so der Bundesrat. Die vom Bund garantierten Mittel dürfen nur den schweizerischen Infrastrukturen dienen (keine Abflüsse an die Muttergesellschaften ins Ausland), und zukünftig erwirtschaftete Mittel sind prioritär zur Rückzahlung der Liquiditätshilfen zu verwenden (keine Dividenden oder konzerninterne Rückführungen oder Transfers, bis die Darlehen vollständig getilgt sind).
Konkret sind folgende Massnahmen vorgesehen: Der Liquiditätsbedarf von Swiss und Edelweiss wird bis Ende 2020 auf rund 1,5 Milliarden Franken geschätzt. Diese fehlende Liquidität soll in Anlehnung an die Covid-plus-Kredite durch ein Bankenkonsortium zur Verfügung gestellt werden. 85 Prozent der in Anspruch genommenen Mittel, maximal aber 1,275 Milliarden Franken, sollen durch Garantien des Bundes gesichert werden. Die am 8. April 2020 bekanntgegebenen Voraussetzungen für die Gewährung von Bundeshilfen können eingehalten werden. Eine Kapitalbeteiligung an der Swiss oder an Edelweiss wird nicht angestrebt, weil der Erfolg von Swiss und Edelweiss im Wesentlichen mit der starken Integration in die Lufthansa-Gruppe verbunden ist. Allerdings werden die Darlehen durch Aktien von Swiss und Edelweiss abgesichert.
EasyJet Switzerland, die zweitgrösste Airline in der Schweiz,sollte den Liquiditätsbedarf durch seinen Mutterkonzern decken können. Die Voraussetzungen für ein subsidiäres Engagement des Bundes seien zum heutigen Zeitpunkt somit nicht gegeben, hält der Bundesrat fest. Mit einem Umsatzvolumen unter 500 Millionen Franken habe EasyJet Switzerland zudem die Möglichkeit, einen Covid-Überbrückungskredit zu beantragen.
Die für die Aufrechterhaltung der internationalen Anbindung der Schweiz notwendigen flugnahen Betriebe wie Swissport International, GateGroup und SR Technics sind weltweit tätig und mehrheitlich im Besitz asiatischer Investoren. Die aktuellen Unternehmensstrukturen von Swissport und Gategroup liessen eine finanzielle Unterstützung des Bundes nach den festgelegten Bedingungen noch nicht zu, so der Bundesrat. Bei SR Technics könnten die notwendigen Sicherheiten für allfällige Darlehen grundsätzlich aufgebracht werden. Damit aber die Wiederaufnahme des Flugbetriebs durch den Ausfall eines systemkritischen Unternehmens nicht beeinträchtigt werden, sollten unter der operativen Führung der Landesflughäfen Auffangstrukturen vorbereitet werden. Deren konkrete Ausgestaltung und die finanzielle Lastenteilung müsse in Gesprächen mit den Flughäfen und Standortkantonen noch konkretisiert werden, so der Bundesrat. Der Mittelbedarf für allfällige Massnahmen zur Unterstützung der für die Schweiz kritischen Teile der flugnahen Betriebe wird auf rund 600 Millionen Franken geschätzt. Eine Unterstützung der flugnahen Betriebe ist aktuell nicht möglich. Mit einer Anpassung des Luftfahrtgesetzes soll diese Rechtsgrundlage geschaffen werden. Um bei Bedarf rasch reagieren zu können, soll die erforderliche Gesetzesänderung vom Parlament in der Sondersession vom 4.bis 8. Mai im dringlichen Verfahren beraten werden.
Der Bundesrat beantragt somit den Eidgenössischen Räten Verpflichtungskredite von insgesamt 1,875 Milliarden Franken: 1,275 Milliarden Franken zur Sicherung der Darlehen an Schweizer Fluggesellschaften und 600 Millionen Franken zur Unterstützung von flugnahen Betrieben an den Landesflughäfen. Die Verpflichtungskredite entsprechen der Obergrenze des finanziellen Engagements des Bundes. Im Gegensatz zu den Garantien zu Gunsten der Fluggesellschaften könnte bei den flugnahen Betrieben schon bald ein Bedarf nach direkter finanzieller Unterstützung in Form von Darlehen oder im Falle von Auffangstrukturen auch in Form von Beteiligungen entstehen. Damit der Bund gegebenenfalls rasch reagieren kann, beantragt der Bundesrat mit dem Verpflichtungskredit gleichzeitig einen Nachtragskredit von 600 Millionen Franken. Erst nach Bewilligung der Verpflichtungskredite durch das Parlament werden die nötigen Verträge mit den beteiligten Parteien (Banken, Fluggesellschaften) abgeschlossen.
Die Aerosuisse begrüsst den Entscheid des Bundesrates, die Schweizer Luftfahrtbranche zu unterstützen. Nur so könne ein Neustart gelingen und die für die Schweiz und ihre Wirtschaft notwendige internationale Anbindung nach der Corona-Krise rasch wieder gewährleistet werden, hält der Dachverband fest. «Die vom Bundesrat beschlossene Finanzhilfe für die Schweizer Fluggesellschaften und Bodendienstleister ist für einen Neustart des schweizerischen Luftfahrtsystems entscheidend», sagt Nationalrat Thomas Hurter, Präsident der Aerosuisse. Damit wird die Anbindung der Schweiz auch in Zukunft sichergestellt. Wertmässig verlässt knapp die Hälfte aller Exporte die Schweiz per Luftfracht und jeder dritte Tourist kommt per Flugzeug in die Schweiz.
Nur dank der nach wie vor intakten und täglich funktionierenden Luftfahrtinfrastruktur können in der Schweiz Rückholflüge, Ambulanzeinsätze und essenzielle Luftfrachttransporte stattfinden. «Ohne die täglichen Frachtflüge aus China würden wir heute in der Schweiz nicht über ausreichend Schutzmasken und medizinisches Material verfügen», nennt Aerosuisse-Präsident Thomas Hurter ein Beispiel dafür, wie systemrelevant die Luftfahrtinfrastruktur für die Schweiz ist. Dass die Finanzhilfe des Bundes an gewisse Auflagen gebunden wird, begrüsst die Aerosuisse. «Die Schweizer Luftfahrt war vor der Corona-Krise äusserst gesund, deshalb wird sie auch in der Lage sein, nach einem erfolgreichen Neustart, die Überbrückungshilfe wieder an den Bund zurückzahlen zu können», so Nationalrat Thomas Hurter weiter.
Swiss und Edelweiss sind dankbar über den Entscheid des Bundesrats, der Schweizer Luftfahrt die benötigte Liquidität zukommen lassen zu wollen, um die Auswirkungen der Coronakrise überstehen zu können. Mit einem vom Bund zu 85 Prozent abgesicherten Bankenkredit in der Höhe von 1,5 Milliarden, der Unterstützung der Muttergesellschaft Lufthansa sowie den drastischen Sparmassnahmen seitens Swiss und Edelweiss wäre der Liquiditätsbedarf für die beiden Fluggesellschaften – unter strengen Bedingungen – gesichert, teilten sie gemeinsam mit. Sie begrüssen es, dass die innert kurzer Frist ausgehandelte finanzielle Unterstützung den Eidgenössischen Räten zur Genehmigung beantragt wird. Der zudem für die flugnahen Betriebe beantragte Kredit würde es der Schweizer Luftfahrt ermöglichen, die volkswirtschaftlich so bedeutende Anbindung der Schweiz an die Welt sowohl passagier- als auch frachtseitig schrittweise wiederaufzunehmen, so Swiss und Edelweiss. hjb