Emotionaler Abschied von Berlin-Tegel – und Tschüss

11. November 2020: Nach (ungeplant langen) 60 Jahren schloss der Flughafen Berlin-Tegel mit vielen Emotionen am 8. November 2020 seine Tore. SkyNews.ch-Reporter Thomas P. Hofer war am Boden und in der Luft dabei.

Bereits anfangs des 20. Jahrhunderts wurde das Gebiet des heutigen Flughafens Tegel als Luftschiff-Basis verwendet. Nach dem Ersten Weltkrieg war es dem Deutschen Reich verboten, eine Luftstreitmacht aufzubauen. Deshalb wurde die Infrastruktur abgebrochen und die Luftschiffaktivitäten eingestellt. Ab 1930 wurde dann der Raketenschiessplatz Tegel eröffnet. Rudolf Nebel und Wernher von Braun machten dort erste Versuche mit flüssigkeitsbetriebenen Raketen und Flugkörpern. Deren Weiterentwicklung wurde später nach Penemünde verlegt. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Platz als Truppenübungsplatz der Luftwaffe verwendet.

Tegel und seine Infrastruktur waren nach dem Zweiten Weltkrieg praktisch vollständig zerstört. Wegen der akuten Wohnungsnot war eigentlich geplant, eine Kleingarten-Wohnsiedlung zu bauen. Die Gegend war allerdings mit vielen Blindgängern und Munitionsresten übersät. Wegen der sowjetischen Blockade West-Berlins wurde zur Unterstützung der Berliner Luftbrücke durch die französische Besatzungsmacht, zusammen mit US-amerikanischen Spezialisten und deutschen Arbeitskräften, im August 1948 innert 90 Tagen ein neuer Flugplatz errichtet. Dazu gehörte, nebst provisorischen Gebäuden, auch der Bau der damals längsten Start- und Landebahn Europas mit einer Länge von 2428 Metern. Am 5. November 1948 landete mit einer Douglas C-54 das erste Flugzeug auf dem erst Anfang Dezember offiziell eingeweihten Flughafen. Der Flugbetrieb erfolgte weitgehend mit amerikanischen und britischen Flugzeugen, da die französische Luftwaffe nicht über eine ausreichende Anzahl an Transportflugzeugen verfügte.

Der spezielle Besatzungsstatus Berlins liess für westliche Flughäfen (Tegel, Tempelhof) nur Anflüge für Gesellschaften aus USA, Grossbritannien und Frankreich zu, durch spezielle Luftkorridore über die sowjetischen Besatzungszone. Den ersten regelmässigen Linienflug nach Tegel nahm Air France am 2. Januar 1960 mit einer Caravelle auf. Dies war der Beginn des  in Tegel. Tempelhof wurde bereits vorher schon bedient. Dort stellte jedoch die verhältnismässig kurze Start- und Landebahn für die neu aufkommenden Strahlflugzeuge ein Problem dar. PanAm begann im Mai 1964 als zweite Fluggesellschaft mit regelmässigen Linienflügen nach zunächst New York-JFK. Von April 1968 an zogen alle Charterfluggesellschaften von Tempelhof nach Tegel um.

Die Flughafenanlagen Tegel-Süd entstanden zwischen 1965 und 1975. Das bis zuletzt genutzte sechseckige Hauptterminalgebäude wurde am 23. Oktober 1974 eingeweiht und wenige Tage später eröffnet. Dazu wurden die damals vier grössten Grossraumflugzeuge der Welt, eine Lockheed TriStar der British Airways, eine McDonnell Douglas DC-10 von Laker Airways, eine Boeing 747-100 von PanAm sowie ein Airbus A300 von Air France eingeflogen. 1988 wurde der Flughafen nach dem Luftfahrtpionier Otto Lilienthal benannt.

Im Zuge der geplanten Fertigstellung des Ausbaus des Flughafens Schönefeld zum Flughafen Berlin Brandenburg (BER) sollte der Flughafen Tegel als letzter Berliner Verkehrsflughafen ursprünglich am 2. Juni 2012 geschlossen werden. Nach zahlreichen Verschiebungen der Eröffnung des BER, die nun am 31. Oktober 2020 erfolgte, blieb der Flughafen Tegel weiterhin, bis zum 8. November 2020, in Betrieb. Tegel fertigte 2019 immerhin über 24 Millionen Passagiere ab, was ihn zur Nummer Vier in Deutschland machte. Er war vor allem wegen seinen kurzen Wegen sehr beliebt. Am 8. November 2020 war dann endlich Schluss. Nach einer ausgiebigen Taxirunde startete der Sonderflug AF1235 mit einer A320 (F-GKXP) der Air France nach Paris CDG, als Hommage an den allerersten Linienflug nach Tegel. Dann wurde die Pforten geschlossen.

Bereits am Vortag wurden mit einigen Sonder- und Rundflügen die Schliessung eingeläutet. So führte eine A320 der SundAir (D-ASGK) in Zusammenarbeit mit Eventflug/Black Forest Aviation mehrere Rundflüge über Berlin durch. Dabei wurde auch der neue Flughafen BER mittels einem Low Pass begrüsst. Die Air Berlin-Restbemalung der Maschine trug sicher noch zu etwas Sentimentalität bei, trug doch Air Berlin (und ihre Vorläufer) viel zum Erfolg von Tegel bei.

Lufthansa schickte letztmals auch als Sonderflug einen Airbus A350 (D-AIXI) von München nach Tegel. WDL (mit Embraer E195 D-AZFA, in voller German Airways-Bemalung) und Lübeck Air (mit ATR-72 SE-MDB) flogen ebenfalls ein. Einige der letzten Linienflüge wurde mit viel Winken, Publikum und Wasserfontänen verabschiedet. Am Abend wurden dann noch ein Zubringerflug von Brandenburg (BER) nach Tegel mit einer A319 (D-AGWY) der Eurowings in Zusammenarbeit mit AirEvents.de durchgeführt. Dort führten auch sie noch zwei Nachtrundflüge über Berlin durch. Gegen 23.20 Uhr hob die Maschine, nach einer Abschiedsdusche der Feuerwehr und einer ausgiebigen Taxirunde zum allerletzten kommerziellen, innerdeutschen Flug von TXL nach BER ab.

Der Flughafen Tegel bleibt zunächst formal bis Mai 2021 ein Flughafen, sechs Monate nach Inbetriebnahme des BER. Zudem sollte bis zur Fertigstellung des neuen Regierungsflughafens am BER der Hubschrauber-Flugbetrieb der Bundeswehr bis 2029 von Tegel Nord aus fortgeführt werden. Das Hauptgebäude bleibt erhalten, für das übrige Gebiet sind die Pläne sind schon gemacht. Auf dem Areal soll ein Stadtquartier mit 5000 Wohnungen, ein Forschungs- und Industriepark für urbane Technologien sowie ein Landschaftspark entstehen.   Fotoreport Thomas P. Hofer

In der Dezemberausgabe von SkyNews.ch, welche am 23. November erscheint, wird der neue Berliner Airport BER vorgestellt.