Mirage-Verein Buochs besorgt um ATAR-Entsorgung
03. Mai 2022: Am vergangenen Samstag, 30. April, konnte in Ennetbürgen auch die physische Mitgliederversammlung des Mirage-Vereins Buochs (MVB) durchgeführt werden. Die Geschäfte waren speditiv erledigt und wurden einstimmig durch die Mitglieder genehmigt. Nur der Punkt zur Entsorgung des ATAR-Triebwerks der Mirage IIIRS gab zu reden und zu denken.
Präsident Olivier Borgeaud und sein Team konnte auch einige Gäste aus Politik, Armee, Wirtschaft und Verwaltung begrüssen: Res Schmid, Regierungsrat Nidwalden, Divisionär Claude Meier, höherer Stabsoffizier an den Genfer Zentren für Friedens- und Sicherheitspolitik (der spätere Gastreferent), Oberst im Generalstab Markus Thöni, Kommandant Flugplatzkommando Emmen, Frau Oberstleutnant im Generalstab Corina Gantenbein, Präsidentin Offiziersgesellschaft Obwalden, Hauptmann Daniel Blank, Präsident Offiziersgesellschaft Nidwalden und Dieter Eberle, CEO Ebfinanz.
Der Vorstand des MVB wurde gesamtheitlich wiedergewählt, nur für die Bereiche Infrastruktur und die Rechnungsrevision waren Neuwahlen notwendig. Im vergangenen Vereinsjahr konnten wieder einige Veranstaltungen rund die vereinseigene Mirage III RS (R-2109) durchgeführt werden, die massgeblich mithalfen, bei konstanter Mitgliederzahl, die Finanzen ausgeglichen abzuschliessen.
Varia mit Tiefgang: Als letzter Traktandenpunkt musste der Präsident allerdings noch über eine etwas unerfreuliche Situation berichten. Mit der damaligen Schenkung des ATAR-Triebwerks (das leicht radioaktive Komponenten im Kompressorbereich beinhaltet) musste sich der Verein verpflichten, einen Finanzplan für einen Entsorgungsfonds aufzuzeigen. Bei einer Liquidation des Triebwerks (auch im Falle einer Vereinsauflösung) müssten diese strahlenden Teile aufwendig entsorgt werden. Man errechnete und einigte sich damals auf eine Fondshöhe von 75’000 Franken.
Im vergangenen Herbst gelangte nun das Bundesamt für Gesundheit (BAG) als zuständige Behörde an den Verein mit dem Hinweis, dass der industrielle (chemische Entsorgungs-) Prozess zur notwendigen Aufteilung von Magnesium und Thorium bis in zwei Jahren nicht mehr in Dresden, sondern nur noch auf „Laborebene“ weitergeführt werde, was wiederum einiges teurer würde. Konkret bedeutet diese Änderung, dass der Fonds auf 300’000 Franken erhöht werden müsste! Eine schier unüberwindbare Hürde für den MVB.
Um nun die entsprechende Bewilligung für den Betrieb des Triebwerks (de facto ein ‘Teil mit ionisierender Strahlung) weiter zu erhalten, muss der MVB erneut innert Jahresfrist eine Finanzierung des Entsorgungsfonds mit den neuen Zahlen vorlegen. Der MVB wird nun, mit weiteren betroffenen Organisationen (Besitzer von solchen Triebwerken) zusammen, als nächste Schritte weitere Informationen in kalkulatorischer Hinsicht einholen, aber auch nach allfälligen zertifizierten Betrieben suchen, die solche Prozesse wieder in herkömmlicher Art und Weise (und allenfalls günstiger als das PSI) unterstützen würden.
Interessant ist sicher, dass diese Auflagen und Vorgaben aktuell nur für die Schweiz gelten, nicht für die EU. Und: man hat die natürliche Strahlenbelastung in Andermatt gemessen und festgestellt, dass diese höher ist als diejenige in der Nähe des Triebwerks. Die Gesetzgebung interessiert sich jedoch nur für die technische Strahlung. Die betroffenen Parteien könnten sich deshalb auch vorstellen, Einfluss auf parlamentarischer Ebene über den Umgang mit schwach strahlenden Materialien (und im Vergleich mit der natürlichen Strahlung und der Situation in der EU) zu nehmen. Sicher wird diese Situation den Vorstand im laufenden Vereinsjahr massgeblich beschäftigen. Und: im schlechtesten Fall müsste eine Erhöhung der Mitgliederbeitrags in Betracht gezogen werden.
Gastreferent Divisionär Claude Meier, militärischer Berater an den Genfer Zentren, vermittelte anschliessend sehr eindrücklich die sicherheitspolitische und militärstrategische Betrachtung der aktuellen Lage, aber auch die Faktoren, die zu solcher führen kann. Die drei Zentren (Maison de la Paix) in Genf beinhalten ein Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP), ein internationales Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD) und ein Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF). Sie fördern mit der strategischen Ausrichtung auch die friedens- und sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz.
Er referenzierte in seinem Referat auch auf den aktuellen Krieg zwischen der Ukraine und Russland. Ein Bruch in der Sicherheitspolitik, der wohl Jahrzehnte brauchen wird, den Dialog, einen Grundsatz der Organisationen wieder aufzubauen. Dabei bemerkte Meier, dass mögliche Ursachen in der Geschichte zu finden sind, wie «der Ausgang des Kalten Krieges, die NATO-Osterweiterung und die Annäherung der Ukraine zur EU und NATO».
Die Sicherheitspolitik und deren Herausforderungen wurde wieder in ein neues Bild gerückt und die lang herrschende Sorglosigkeit, auch als «Friedensdividende» benannt (Fall der Mauer, Zerfall der Sowjetunion und der WAPA)) sei vorbei. «Um eine Handlungsfähigkeit, Selbstbestimmung und Integrität eines Landes und ihrer Bevölkerung sowie ihre Lebensgrundlagen gegen Bedrohungen und Gefahren zu schützen und einen Beitrag zu Stabilität und Frieden jenseits der Grenzen zu leisten, bedarf es diverser Instrumente, wie Aussen- und Wirtschaftspolitik, Armee und Zivildienst, Bevölkerungsschutz, Polizei und Finanzpolitik». Zunehmend beeinflussen auch Katastrophen, Migration, Terrorismus und Machtpolitik, und neu auch die Cyberproblematik die Sicherheitspolitik. Die Machtpolitik selber hat auch Einfluss auf die Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Diese sind im 2021 weltweit erstmals auf über 2000 Milliarden gestiegen!
Die Bedrohung ist immer das Produkt aus Absicht und Potenzial (Material und Mannschaft). Daraus resultierenden Konflikte weltweit (und meist innerhalb eines Staates) gab es 2020 insgesamt 39. Tendenz zunehmend. Nochmals bezugnehmend auf den Krieg in der Ukraine erläuterte Meier allfällige Erkenntnisse für die Schweiz: «Angehen der Sicherheit als ‘Gesamtverteidigung’ mit den sicherheitspolitischen Instrumenten, langfristig und vorausschauend. Überprüfen der Landesversorgung und Bevorratung, finanzielle Rahmenbedingungen und finanzpolitische Überlegungen, Information/Desinformation und Beeinflussung. Und die Neutralität, die die Sicherheit des Landes fördern und nicht die Verteidigungsfähigkeit schmälern soll». Erkenntnisse für die Armee: «Die Armee ist ein Gesamtsystem!». Die Luftverteidigung der Zukunft (Air2030 (NKF/Bodluv) ist ein Baustein dazu.
Am Nachmittag wurde im Bremshaus ein Standlauf des ATAR-Triebwerks der Mirage III RS (inklusive Nachbrennereinsatz) durchgeführt und Mitglieder hatten einmal mehr Gelegenheit Informationen auszutauschen. Fotoreport Thomas P. Hofer