Wie fix der F-35-Fixpreis ist, bleibt umstritten – Stückzahl unter Druck
25. Juni 2025: 650 Millionen bis 1,3 Milliarden US-Dollar – so hoch könnten die Mehrkosten für die 36 von der Schweiz bestellten F-35A ausfallen. Diese höchst unerfreulichen Neuheiten haben heute Verteidigungsminister Martin Pfister und Rüstungschef Urs Loher heute an einer Medienkonferenz der Öffentlichkeit unterbreitet. Es bestehe zwischen der Schweiz und den USA ein Missverständnis, was die vielzitierte Festpreisgarantie betreffe.
„Wir verhandeln noch mit den US-Behörden“, sagte Bundesrat Martin Pfister an der heutigen Medienkonferenz. Die Schweizer Behörden sind nach wie vor der Überzeugung, dass mit den USA eine Obergrenze von 6,035 Milliarden Franken für die 36 F-35A vertraglich festgehalten worden. Was in den vergangenen Tagen langsam durchsickerte, ist jetzt bestätigt: Die USA machen höhere Material- und Produktionskosten dafür verantwortlich, dass das Preisschild für die F-35 massiv teurer wird. Die Schweiz bezieht sich bei ihrer Vorstellung von Fixpreis auf die Offerte, die der Schweiz abgegeben wurde. Die US Regierung mit der Defense Security Cooperation Agency (DSCA) stellt sich auf den Standpunkt, dass der Preis den die US Regierung beim Hersteller Lockheed Martin bezahlt, die Basis für den „Festpreis“ ist, den die Schweiz zu bezahlen hat. Derzeit verhandelt die USA mit dem Joint Program Office (JPO) über die Preise, die für die Produktionslose bezahlt werden, in denen die Schweizer Flugzeuge enthalten sind. Die US-Regierung bestellt F-35 jeweils in Produktionslosen (Lot) die rund 100 bis 150 Maschinen umfassen. Die Preise für die einzelnen „Lots“ werden jeweils neu verhandelt. Der Bau der Schweizer F-35A ist in den Produktionslosen 19 bis 22 geplant.
Bundesrat und Rüstungschef haben klar unterstrichen, dass die Beschaffung des F-35A für die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz zentral und aus militärischer Sicht „zwingend“ sei. Deshalb wolle man an der geplanten Beschaffung festhalten. Dass das ohnehin umstrittenen Geschäft jetzt aber mit massiven Mehrkosten startet, bringt einiges an politischem Zündstoff mit sich. „Ein Vertrag ist ein Vertrag – sollte man meinen“, sagte Rüstungschef Urs Loher von der Armasuisse und erklärte, dass sich die Schweiz trotz verschiedener Gutachten und Zusicherungen betreffend der Festpreisgarantie mit Forderungen in Milliardenhöhe konfrontiert sehe. Die Schweiz beschafft die F-35A nicht beim Hersteller Lockheed Martin direkt, sondern via FMS-Programm (Foreign Military Sales) bei der US-Regierung. Für den Vertrag zwischen der US- und der Schweizer Regierung gibt es laut Bundesrat Martin Pfister keine Gerichtsbarkeit, es gibt also keinen juristischen Weg, um den Festpreis einzufordern.
Wenn man Martin Pfister und Urs Loher zuhörte, ist einerseits der Eindruck geblieben, dass sie in diesem höchst delikaten Geschäft transparent und ehrlich informieren wollten. Der Verteidigungsminister wiederholte zwar mehrfach, dass man auf diplomatischem Weg nun eine Einigung zu erzielen versuche, zwischen den Zeilen ist aber auch der Eindruck geblieben, dass die VBS-Vertreter nicht damit rechnen, dass die Schweiz die 36 F-35A für die aus Schweizer Sicht vereinbarten 6,035 Milliarden erhält, sondern dass ein Minimum an Mehrkosten unausweichlich ist. Man sei dabei, alle Optionen zu prüfen, um Kostoptimierugen zu erzielen. Auch eine Reduktion der Stückzahl, scheint kein Tabu zu sein. Als weitere Option wurde eine Anpassung der Offset-Verpflichtungen genannt. Als „allerletztes Mittel“ stehe dann auch einen Rücktritt vom Vertrag im Raum, sagte Urs Loher und betonte zugleich erneut, dass dies für die Sicherheit der Schweiz keine gute Option wäre. Die Schweiz muss sich allerdings gut überlegen, ob das vordergründig wohl einfachste Mittel, um im Kostenrahmen zu bleiben, nämlich eine Reduktion der Stückzahl, tatsächlich eine gute Option wäre. Denn die Einsparungen beim Preis wären wohl aufgrund der anfallenden „Fixkosten“ unterproportional und angesichts der sicherheitspolitischen Lage ist es leider nicht unwahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren ein substanzieller Beitrag der Schweiz zur europäischen Sicherheitsarchitektur gefragt sein wird. Die neuen Flugzeuge sollen Luftverteidigung, Aufklärung und Luft-Boden-Einsätze über eine möglichst lange Zeitdauer übernehmen können – da sind 36 Flugzeuge keine Luxusausstattung, sondern eher der Minimalbestand. Eine spätere Nachbeschaffung wäre wohl nicht nur teurer, sondern brächte auch hinsichtlich unterschiedlicher Flugzeugkonfigurationen Herausforderungen mit sich.
Vor diesem Hintergrund besonders unschön war zu hören, dass auch die geplanten Anpassungen der Infrastruktur auf den Militärflugplätzen Payerne, Meiringen und Emmen vor allem aufgrund der Bauteuerung Mehrkosten verursachen, die Rede war von zusätzlichen rund 60 Millionen Franken.
Das VBS hat den Bundesrat heute über weitere Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Projekt Air2030 informiert. Dazu zählte das Projekt „Rigi“, das im Rahmen der Offset-Verpflichtungen die Teilendmontage von vier F-35A bei RUAG in Emmen vorsieht. Die VBS-Vertreter äusserten sich heute eher kritisch dazu. Zurzeit prüfe RUAG, wie das Projekt mit vertretbarem Kosten-Nutzen-Verhältnis umgesetzt werden könnte. Differenzen bestehen auch mit Thales als Lieferantin von SkyView 4.0 als Teil des Systems zur Luftraumüberwachung und Einsatzleitung. Das von technischen Herausforderungen, Verzögerungen und Kostenüberschreitungen geplagte Programm hat neue Verhandlungsrunden mit der Lieferantin nötig gemacht, die noch nicht abgeschlossen sind.
Die USA setzen in Zukunft zudem auf eine neue Konfiguration des Systems Patriot der bodengestützten Luftverteidigung (Bodluv), die sowohl ein neues Kontrollsystem als auch in den 2030er-Jahren ein neues Radarsystem umfasst. Das bedeutet für Länder wie die Schweiz, die weiterhin das bestehende System nutzen, dass die Kosten der Weiterentwicklung auf weniger Nutzer verteilt werden – und damit teurer werden. Zurzeit laufen Abklärungen, was dies genau für die Schweiz bedeutet, ob also beispielsweise ein Umstieg auf das neuere Radar Sinn machen könnte – wobei dieses mächtige, neue 360-Grad-Radar bestimmt auch mit markanten Mehrkosten verbunden wäre. In dieser Frage steht das VBS mit anderen Patriot-Nutzern in Kontakt. Eugen Bürgler