Drohnengefahr im Endanflug

09. September 2020: Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) hat in einem heute veröffentlichten Untersuchungsbericht zu einer gefährlichen Annäherung zwischen einer Drohne und einem Airbus A319 im Anflug auf den Flughafen Zürich die Gefahr durch Drohnen umfassend thematisiert. Unter Umständen kommen sich Flugzeuge und Drohnen legal in die Quere.

Im Endanflug auf die Piste 14 des Zürcher Flughafens kam es für den Airbus A319 HB-IPT der Swiss am 29. September 2018 zu einer ungebetenen Begegnung. Aus Berlin kommend, war der Airbus mit 105 Passagieren und fünf Besatzungsmitgliedern an Bord auf dem ILS der Piste 14 rund fünf nautische Meilen von der Pistenschwelle entfernt (etwa über dem Stadlerberg), als der erste Offizier in einer Flughöhe von rund 3000 Fuss über Meer (914 Meter) in Flugrichtung ein Objekt entdeckte. Gemäss SUST-Bericht erkannte die Besatzung beim Näherkommen, dass es sich um eine grosse, silberfarbene Drohne handelte.

Aufgrund der hohen Annäherungsgeschwindigkeit blieb der Besatzung keine Zeit für Ausweichmanöver und die Drohne flog in einer geschätzten Distanz von nur zehn Metern direkt über den Airbus, wie der SUST-Bericht festhält. Unverzüglich meldete die Besatzung den Vorfall der Flugverkehrsleitung, die das nachfolgende Flugzeug informierte. Diese Besatzung konnte die Drohne allerdings nicht mehr ausmachen. Trotz sofortiger Information an die Flughafenaufsicht (Airport Authority) und die lokale Polizei konnten weder die Drohen noch deren Pilot ausfindig gemacht werden.

Laut der SUST nehmen die Meldungen zu gefährlichen Annäherungen zwischen Luftfahrzeugen und Drohnen im kontrollierten Luftraum um den Flughafen Zürich „seit geraumer Zeit stetig zu“. In ihrem jüngsten Bericht hat die SUST einige der im Jahr 2018 gemeldeten Vorfälle dieser Art aufgelistet:

  • Juni 2018: die Piloten einer Embraer ERJ-190 der Helvetic Airways sehen sehr nahe an ihrem Flugweg rund vier Meilen vor der Pistenschwelle 14 in Zürich eine Quadrocopter-Drohne.
  • August 2018: Die Besatzung eines Swiss Airbus A321 meldet kurz nach dem Start auf der Piste 16 in der Region Glattbrugg eine Drohne rund 50 Meter rechts neben dem Flugzeug.
  • Oktober 2018: Noch über deutschem Hoheitsgebiet, östlich von Tiengen, erblickte die Besatzung eines Swiss Airbus A220 rund 12 nautische Meilen von der Piste 14 entfernt in geschätzten 100 Metern Entfernung eine Drohne im stationären Schwebeflug.
  • November 2018: Die Piloten eines Swiss Airbus A340 identifizierten rund elf nautische Meilen vor der Pistenschwelle 14 im Anflug auf den Flughafen Zürich in 4500 Fuss Höhe (1370 Meter über Meer) eine Quadrocopter-Drohne, die 50 Meter entfernt rechts an der A340 vorbeiflog.
  • Dezember 2018: Auf 300 bis 500 Meter wurde die Distanz zu einer weissen Drohne geschätzt, die fünf nautische Meilen vor der Pistenschwelle 28 von der Besatzung einer Swiss Boeing 777 im Endanflug gesehen wurde.

Die SUST nennt auch einige Fälle von Kollisionen zwischen bemannten Luftfahrzeugen und Drohnen, die bisher weltweit registriert wurden. In allen Fällen konnten die Piloten die Drohnen kurz vor der Kollision wahrnehmen, hatten aber nicht mehr genügend Zeit für ein Ausweichmanöver. Ein Ausweichen der Flugzeuge aufgrund visueller Wahrnehmung der Drohnen sei deshalb nicht praktikabel, so die SUST.

Auch in der Schweiz sind zwei Kollisionen von Drohnen mit bemannten Luftfahrzeugen bekannt: An einem Airbus A340 wurde nach der Landung in Zürich am 9. März 2018 eine Beschädigung am rechten Vorflügel festgestellt, die auf eine Drohne zurückzuführen war und am 25. Mai 2018 kollidierte über dem Verzascatal ein Guimbal Cabri G2 Helikopter mit einer Drohne. Trotzdem konnte der Heli in Locarno landen.

Während heute alleine in Europa rund 10’000 Drohnen zu kommerziellen Zwecken und rund 1,5 Millionen Drohnen privat genutzt werden, gehen Schätzungen davon aus, dass sich diese Zahl in den kommenden Jahrzehnten vervielfachen könnte. Die US-Luftfahrtbehörde FAA geht davon aus, dass sich die Zahl der kommerziellen Drohnen in den USA in den nächsten drei Jahren auf etwa 500’000 verzehnfachen wird.

Mit verschiedenen Tests wurde evaluiert, welche Schäden Drohnen beim Aufprall auf verschiedene Flugzeugteile verursachen können. Wie im SUST-Bericht festgehalten ist, hat sich dabei gezeigt, dass sowohl die Relativgeschwindigkeit zwischen Luftfahrzeug und Drohne wie auch die Masse der Drohne entscheidend für die Schwere der Schäden sind. In untersuchten Aufprallszenarien habe sich gezeigt, dass die Primärstruktur von Verkehrs- beziehungsweise Geschäftsreiseflugzeugen im Falle einer Kollision mit 1,2 beziehungsweise 1,8 Kilogramm schweren Drohnen versagen könnte. Bei Geschwindigkeiten gegen 250 Knoten konnten Teile von nur 1,2 Kilogramm schweren Drohnen die Flugzeughülle durchdringen.

Wie die SUST festhält, gibt es Lufträume, in denen sich gemäss geltenden Gesetzen sowohl bemannte Luftfahrzeuge wie auch Drohnen aufhalten dürfen, dies zum Beispiel auch in einer TMA (Terminal Manoeuvering Area, Nahkontrollbezirks eines Flughafens mit CTR, in dem die An- und Abflugverfahren sowie Holdings stattfinden) in der bemannte Flugzeuge eine Freigabe durch die Flugverkehrsleitung benötigen. Während Drohnen mit einem Gewicht von mehr als 30 Kilogramm grundsätzlich einer Bewilligung des BAZL bedürfen, gibt es für 0,5 bis 30 Kilogramm schwere Drohnen folgende Einschränkungen:

  • Kein Betrieb im Umkreis von 5 Kilometern rund um Flugplätze und Heliports.
  • Maximale Flughöhe von 150 Metern über Grund innerhalb einer Kontrollzone (CTR).
  • Betrieb nur mit direktem Sichtkontakt zur Drohne.

Daraus ergibt sich, dass Drohnen unter Umständen legal den Weg von Flugzeugen, auch von Verkehrsflugzeugen kreuzen können. Zur Kollisionsvermeidung gilt dabei einzig das Prinzip „see and avoid – sehen und ausweichen“. Da für die Piloten ein rechtzeitiges Entdecken und Ausweichen kaum möglich ist, liegt die Verantwortung zur Vermeidung von Kollisionen bei den Drohnenpiloten. Mit der Kampagne „In der Nähe von Flugplätzen fliege ich meine Drohne nicht!“ machen das BAZL, der Flughafen Zürich, die Kantonspolizei Zürich und Skyguide auf diese Gefahr aufmerksam. Die SUST ist überzeugt, dass eine „detect and avoid – Erkennen und Ausweichen“ Technologie anzustreben ist, um das Kollisionsrisiko zu verringern.

www.sust.admin.ch

Interaktive Karte mit den Gebieten mit Einschränkungen für Drohnen